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Corona – Bußgelder und Strafen
Sanktionen nach Infektionsschutzgesetz und Co.
Die derzeitige Pandemie verlangt uns als Gesellschaft Einiges ab. Es gibt Kontaktverbote, Grundrechte werden eingeschränkt, Regeln aufgestellt und durchgesetzt. Das Infektionsschutzgesetz hält Bußgeld- und Straftatbestände bereit, mit denen gegen vermeintliche Regelbrecher vorgegangen werden kann. Die Bundesländer erlassen nach und nach eigene Bußgeldkataloge, um die Kontaktverbote durchzusetzen. Argwöhnisch beäugen Nachbarn, wer wann mit wem warum vor die Tür geht. Bei all den Regeln kann der Überblick verlorengehen, können Nachbarn und Behörden Maß und Mitte verlieren. Regeln einzuhalten ist wichtig – gegen unverhältnismäßige und falsche Bußgeldbescheide und Strafvorwürfe kann und sollte man sich aber wehren.
Verbot der Suizidbeihilfe verfassungswidrig
Bundesverfassungsgericht: § 217 StGB ist nichtig
Das Bundesverfassungsgericht hat die Diskussionen um den Tatbestand der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung vorerst beendet. Es hat § 217 StGB für nichtig erklärt und einer einschränkenden verfassungskonformen Auslegung eine Absage erteilt. Damit ist die Rechtslage wiederhergestellt, wie sie vor Dezember 2015 bestand.
Grundsätzlich galt und gilt: An einer Handlung, die nicht tatbestandsmäßig ist, kann sich niemand strafbewehrt beteiligen. Das war auch lange Zeit für die Frage der Beihilfe zu einem Suizid so: Weil die Selbsttötung keine tatbestandsmäßige Handlung ist, ist die Beihilfe hierzu – eigentlich, obigen Regeln folgend – straflos. Die Situation war schon immer anders, wenn der Suizident nicht frei und eigenverantwortlich agierte oder die Tatherrschaft bei der helfenden Person lag. Seit Dezember 2015, mit Einführung des § 217 StGB, war aber auch die Beihilfe zu einem freiverantwortlichen Suizid unter Umständen strafbar: nämlich dann, wenn die Suizidassistenz geschäftsmäßig erfolgte. Ziel der Regelung war es, Sterbehilfevereine zu verhindern. Angebote der geschäftsmäßigen Beihilfe zum Suizid, so die Begründung, könnten eine Art Erwartungsdruck erzeugen, diese Angebote auch wahrzunehmen, um die eigene Familie und die Gesellschaft als Ganzes von dieser „Last“ zu befreien.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Norm nun in seiner Entscheidung vom 26. Februar 2020 aufgehoben (2 BvR 2347/15, 2 BvR 651/16, 2 BvR 1261/16, 2 BvR 1593/16, 2 BvR 2354/16, 2 BvR 2527/16).
Abrechnungsbetrug durch MVZ-Gründung
Strohmann schützt vor Strafe nicht
Sich wegen Abrechnungsbetruges strafbar zu machen geht auch dann, wenn sämtliche Leistungen lege artis erbracht worden sind. Luftleistungen braucht es nicht zwingend. So nämlich wird mit der Unterschrift unter der Quartalsabrechnung gegenüber der KV nicht nur erklärt, die Leistungen tatsächlich erbracht zu haben. Miterklärt wird z. B. auch konkludent, dass die Voraussetzungen zur Gründung des MVZ, in dem man tätig ist, eingehalten wurden. Liegen die Voraussetzungen nach § 95 Abs. 1a SGB V nicht vor, etwa weil Geschäftsanteile von einem Apotheker erworben werden sollen, und wird diese Regelung durch den Einsatz eines Strohmannes umgangen, können horrende Schadenssummen auflaufen – und beträchtliche Freiheitsstrafen ausgeurteilt werden, wie das LG Hamburg jüngst entschied (Urt. v. 11.03.2019 – 618 KLs 2/17).
Cybercrime im Gesundheitswesen
Neue Publikation - und Realität
Das Thema"Cybercrime im Gesundheitswesen - Malware, Ransomware und der Handel mit Patientendaten" greift Rechtsanwalt Dr. Vogel in der neuesten Ausgabe der ZfMER, der Zeitschrift für Medizin-Ethik-Recht (dort S. 6 ff.), auf. Das Thema ist brisanter denn je: Erst im Juli 2019 legte ein Hackerangriff die Systeme in elf Krankenhäusern und vier Altenpflegeeinrichtungen in Rheinland-Pfalz und dem Saarland lahm - verbunden mit einer Lösegeldforderung. Die Versorgung der Patientinnen und Patienten war noch möglich, wenn auch umständlicher. Gleichwohl zeigen diese Fälle, wie verwundbar solche Systeme sein können. Hier ist - wie offenkundig dort geschehen - eine schnelle Reaktion gefragt, um weiteren Schaden abzuwenden.
Gefälschte Pflegedokumentation
Grund zur Kündigung – und für Ermittlungen wegen Abrechnungsbetrug
Verfahren wegen Abrechnungsbetrug in der Pflege reißen nicht ab. Nicht in jedem Falle, in dem die Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufnimmt, kommt es zu Verurteilungen: Bloße Fehler führen ebenso wenig zu einer Strafbarkeit der Betreiber des Pflegedienstes wie jedwede Auffälligkeit, etwa auf den ersten Blick unplausible Leistungszeiten. Einen Fall, der einen strafrechtlichen Anfangsverdacht auch für die Geschäftsführung des Pflegedienstes mit Sicherheit hätte begründen können, ohne dass ein Abrechnungsbetrug vorlag, hat das Arbeitsgericht Siegburg am 7. August 2019 entschieden (Urt. v. 07.08.2019 – 3 Ca 992/19).
OLG Oldenburg: Ethisch zu missbilligendes Verhalten als Fehlverhalten im Sinne von § 5 GeschGehG
Erste obergerichtliche Entscheidung zur Strafbarkeit nach neuem Recht
Am 21.05.2019 hat das OLG Oldenburg die erste obergerichtliche Entscheidung im Strafrecht zu dem im April 2019 in Kraft getretenen Geschäftsgeheimnisgesetz getroffen (Az. 1 Ss 72/19). Das OLG fasst sich zwar denkbar kurz, traf aber zwei relevante Feststellungen.
Es stellte zum einen fest, die Strafnorm des § 23 GeschGehG sei das gegenüber § 17 UWG mildere und damit auch rückwirkend anzuwendende Gesetz.
Zum anderen bestätigte das Gericht die in der Gesetzesbegründung angelegte Interpretation, dass ein von Whistleblowern aufzudeckendes berufliches oder sonstiges Fehlverhalten bereits im Falle eines ethisch zu missbilligenden Fehlverhaltens gegeben sei.
BMJV legt Referentenentwurf eines Verbandssanktionengesetzes vor
Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) hat seinen Referentenentwurf eines Gesetzes zur Sanktionierung von verbandsbezogenen Straftaten (VerSanG) vorgelegt. Mit diesem soll die Sanktionierung von Personenverbänden, insbesondere Wirtschaftsunternehmen, auf eine neue gesetzliche Grundlage gestellt werden. Der Entwurf sieht u.a. einen Ermittlungszwang der Verfolgungsbehörden, einen erhöhten Sanktionsrahmen von bis zu 10 % des durchschnittlichen jährlichen (Konzern-)Umsatzes sowie Regelungen zur Bedeutung von Compliance-Maßnahmen und zum Umgang mit Internal Investigation im Zusammenhang mit Sanktionsverfahren gegen Verbände vor.
Sozialversicherungspflicht von Honorarärzten und Honorarpflegekräften
Bundessozialgericht bestätigt Praxis der Versicherungsträger
Der 12. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) hat mit Urteilen vom 6. Juni 2019 und vom 7. Juni 2019 entschieden, dass Ärzte, die als Honorarärzte in einem Krankenhaus tätig sind, in dieser Tätigkeit regelmäßig nicht als Selbstständige anzusehen seien, sondern als Beschäftigte des Krankenhauses der Sozialversicherungspflicht unterlägen (Az. 12 R 11/18 R als Leitfall). Entsprechendes gelte für Honorarpflegekräfte (Az. 12 R 6/18 R als Leitfall).
Lehrauftrag an der Martin-Luther-Universität
Rechtsanwalt Dr. Vogel ist im vierten Jahr in Folge der Lehrauftrag für die Vorlesung "Arztstrafrecht und Arzthaftungsrecht aus praktischer Sicht" an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) erteilt worden. Im Rahmen des Masterstudiengangs Medizin-Ethik-Recht referiert er vor einem interdisziplinären Auditorium vor Medizinern, Juristen, Psychologen, Pflegewissenschaftlern und Ethikern über das materielle und prozessuale Arztstrafrecht sowie mögliche Annexverfahren. Die Vorlesung am Interdisziplinären Zentrum Medizin-Ethik-Recht der MLU beginnt am 3. Mai 2019.
Ansprechpartner
Dr. Sebastian T. Vogel
USA verschärfen Iran-Sanktionen
Höhere Sanktionsrisiken auch für deutsche Unternehmen
Mit Wirkung zum 15. April 2019 hat die US-Regierung die Iranischen Revolutionsgarde auf die Liste der ausländischen Terrororganisationen (Foreign Terror Organizations - FTO) gesetzt. Damit erhöhen die USA erneut den Druck auf den Iran.
Sanktionen gegen die Iranische Revolutionsgarde sind nicht neu
Die Iranische Revolutionsgarde befindet sich schon seit längerem auf US-amerikanischen Sanktionslisten, allen voran der Specially Designated Nationals And Blocked Persons List, kurz SDN List. Die SDN List wird vom Office of Foreign Assets Control (OFAC), einer dem Finanzministerium unterstellen Kontrollbehörde, geführt wird, die auch für den Erlass und den Vollzug von Sanktionen zuständig ist. Damit war es „U.S. Persons“, d.h. US-amerikanischen Staatsbürgern und Unternehmen, aber auch ausländischen Personen, solange sie sich auf US-amerikanischen Staatsgebiet aufhalten, bereits in der Vergangenheit untersagt, Geschäfte mit der Revolutionsgarde zu tätigen. Besondere praktische Bedeutung hat das Verbot, weil die Iranische Revolutionsgarde wirtschaftlich auf fast allen Gebieten aktiv und der größte Unternehmer des Landes ist. Sie ist durch Mehrheitsbeteiligungen an einer Reihe von Gesellschaften u.a. im Infrastruktur-, Energie- und Telekommunikationssektor beteiligt. Auch diese Tochtergesellschaften fallen in den Anwendungsbereich der US-Sanktionen.