Komplikationen zu Beginn des Lebens, vor, bei oder unmittelbar nach der Geburt, können fatale Auswirkungen haben. In diesem gefahrgeneigten Bereich sind nicht nur Ärztinnen und Ärzte tätig, sondern auch Hebammen und Entbindungspfleger. Verwirklicht sich ein Risiko, kann es nicht nur zu hohen Schadensersatz- und Schmerzensgeldforderungen kommen, sondern auch zu Strafverfahren.

Die strafrechtlichen Probleme

Wird ein Strafverfahren gegen eine Hebamme oder einen Entbindungspfleger geführt,  ergeben sich bei Geburten im Krankenhaus zum Teil andere Rechtsfragen als bei Geburten im Geburtshaus oder bei Hausgeburten. Zwar ist in allen Fällen gleichermaßen zu klären, ob ein Behandlungsfehler, ein Befunderhebungsfehler oder eine sonstige Verletzung des Standards vorliegt oder wann eine Ärztin hätte gerufen werden müssen. Ferner spielen Kausalitätsfragen eine große Rolle. Während bei Geburten außerhalb des Krankenhauses aber vor allem eine Rolle spielt, den Zeitpunkt nicht zu verpassen, ab dem zwingend ein Krankenwagen zu rufen ist, etwa weil ein Kaiserschnitt notwendig wird oder die Vitalparameter des Kindes abfallen, kommt im Krankenhaus die Frage der sog. Remonstrationspflicht hinzu: Wann darf eine Hebamme oder ein Entbindungspfleger auf die ärztliche Expertise vertrauen und wann muss sie oder er intervenieren und nach einer Oberärztin rufen (lassen).

Und ganz grundsätzlich geht es in diesen Kontexten immer auch um die Frage, ob noch die Regeln für den Schwangerschaftsabbruch, die §§ 218 f. StGB, anwendbar sind oder ob es sich nicht mehr um eine Schwangerschaft und eine Leibesfrucht handelt, sondern schon um einen Menschen im Sinne der Körperverletzungs- und Tötungsdelikte nach den §§ 223 ff. StGB und §§ 211 ff. StGB.

Die verfahrenspsychologischen Probleme

Ist ein (geborenes oder ungeborenes) Kind gestorben oder behindert zur Welt gekommen mit einem sog. Geburtsschaden und geht es auch der Mutter, dem Vater, den Angehörigen generell nicht gut, psychisch-emotional wie körperlich, sind in einem Strafverfahren Empathie und Sympathie klar verteilt. Trauer und Emotionen, überhaupt das traurige Schicksal, um das es geht, können die objektive juristische Aufarbeitung dann beeinträchtigen – die Rückbesinnung auf Fakten gelingt vor dem Hintergrund eines traurigen und fatalen Ereignisses auch Profis nicht immer. Beschuldigtenrechte bleiben dann nicht selten auf der Strecke. Überdies besteht häufig die Tendenz, es – von Seiten der Staatsanwaltschaft, des Gerichts, des oder Sachverständigen – hinterher besser gewusst zu haben, und die Schwierigkeiten bei der Entscheidung in der Situation werden übersehen oder nivelliert.

Solchen Rückschaufehlern und dem Empathiegefälle zu Lasten der Hebamme oder des Entbindungspflegers gilt es entgegenzuwirken – mit viel Bedacht und Augenmaß.

Die Problemlösung

Um solche Strafverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung (§ 229 StGB) oder fahrlässiger Tötung (§ 222 StGB) oder unterlassener Hilfeleistung (§ 323c StGB) oder Schwangerschaftsabbruch (§ 218 StGB) gut zu bewältigen, ist eine medizinstrafrechtliche Expertise unabdingbar, und zwar sofort, also spätestens dann, wenn man die Beschuldigtenanhörung der Polizei im Briefkasten hat. Der Umgang mit Gutachten und Gutachtern, mit den Angehörigen des Kindes, der Polizei, der Staatsanwaltschaft verlangt der Verteidigung einen Rundumblick ab sowie eine professionelle Verteidigungsstrategie: in materiell-rechtlicher, verfahrensrechtlicher, menschlicher, verfahrenspsychologischer Hinsicht. Ein Laufenlassen eines solchen Strafverfahrens wäre: seinerseits fatal.

Ansprechpartner
Dr. Sebastian T. Vogel
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Dr. André Fredrich