Neue EU-Vorgaben zur Verschärfung des Sanktionenrechts
Kontinuierliche Ausweitung der EU-Sanktionen
Seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine zieht die Europäische Union ihr Sanktionsregime stetig nach. Gegenwärtig wird am mittlerweile 14. Sanktionspaket seit der Krigmannexion im Jahr 2014 gearbeitet, welches die bereits über 2.000 Posten auf den europäischen Sanktionslisten erweitern soll. Die Sanktionsmaßnahmen reichen von Transaktionsverboten hin zum Einfrieren von Vermögenswerten. Erfasst sind keineswegs nur Unternehmen aus Russland und anderen bekanntermaßen sanktionierten Ländern, sondern inzwischen auch zunehmend Unternehmen aus Drittstaaten, welche beispielsweise eine Umleitung des Handels mit sanktionierten Gütern mit Russland ermöglicht haben. Damit verhängt die EU erstmals in geringem Umfang Sekundärsanktionen, wie sie die USA bereits seit Jahrzehnten praktizieren.
Effizientere Sanktionsdurchsetzung durch neue Maßnahmen der Bundesregierung
Bereits im Mai und Dezember 2022 hat die Bundesregierung mit den Sanktionsdurchsetzungsgesetzen I und II sanktionsspezifische Vermögensermittlungs- und Sicherstellungsbefugnisse eingeführt, um eine effektive Sanktionsumsetzung zu ermöglichen. Seit Anfang 2023 hat beim Zoll die Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung und ihre zentrale Hinweisannahmestelle die Arbeit aufgenommen, eine Meldepflicht zur Anzeige der Vermögen gelisteter Personen wurde in Geltung gesetzt und der Informationsaustausch zwischen verschiedenen Registern auf Bundes- und Länderebene angeordnet. Hierdurch ist die Entdeckungswahrscheinlichkeit von Geschäften mit sanktionierten Unternehmen, Organisationen und Personen und proportional dazu das Risiko von Unternehmen verschärft worden, bereits aufgrund fahrlässiger Missachtung von Sanktionen selbst ins Visier der Behörden zu geraten.
Verschärfung des Sanktionsrechts durch EU-Vorgaben in Aussicht
Die Europäische Union hat nun mit der RL 2024/1226 Mindeststandards für eine gleichmäßige Verfolgung und Ahndung von Verstößen gegen EU-Sanktionen in den Mitgliedsstaaten gesetzt. Auf Tatbestandsseite ist damit zu rechnen, dass bisher als Ordnungswidrigkeiten verfolgte leichtfertige güterbezogene Verstöße in das Strafrecht überführt werden und Sanktionsumgehungen strenger in den Blick genommen werden.
In Hinblick auf die Sanktionshöhe muss die maximale Unternehmensbußgeldhöhe von derzeit 10 Mio. Euro auf 40 Mio. Euro oder 5 % des weltweiten Gesamtumsatzes angehoben werden. Die höheren Sanktionsrahmen sollen gelten, wenn die Sanktionsverstöße einzeln oder durch Sachzusammenhang kumuliert wirtschaftliche Ressourcen im Wert von mindestens 100.000 Euro betreffen. Als flankierende Maßnahmen unterbreitet die EU-Richtlinie den Mitgliedsstaaten explizit die in der deutschen Rechtsordnung bisher unübliche Möglichkeiten, gerichtliche Entscheidungen zu veröffentlichen und Unternehmen einer gerichtlichen Aufsicht zu unterstellen, einzelne Einrichtungen zu schließen oder insgesamt aufzulösen.
Evaluation der eigenen Sanktions-Compliance sinnvoll
Unternehmen sind vor diesem Hintergrund gehalten, den regelmäßig risikobasierten Ansatz bei der Einhaltung von Sanktionen auf den Prüfstand zu stellen und umfassendere Prüfprozesse zu etablieren.
Zu beobachten bleibt, ob die EU den Trend zur Verhängung von Sekundärsanktionen fortsetzt. Unternehmen können sich insoweit auch noch weniger darauf verlassen, dass sie keine Geschäftsbeziehungen in sanktionierte Herkunftsländer unterhalten, weil sekundär Sanktionierte weltweit verortet werden können. Zudem besteht die Gefahr, sowohl als Person als auch als Unternehmen zum Gegenstand von Sekundärsanktionen zu werden. Die Erfahrung mit US-amerikanischen Sekundärsanktionen lehrt, dass diese regelmäßig mit einem massiven Einbruch von Geschäftsbeziehungen einhergehen und damit regelmäßig schwerer wiegen als die Verhängung einer Sanktion in den Bahnen eines Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahrens.
Ansprechpartner
Dr. David Albrecht
Fabian Breuer