Wer Corona-Soforthilfen beantragt hatte, war in Not. Alles war beunruhigend. Alles war neu. Alles musste schnell gehen. Schnell stellten manche Unternehmen oder Selbstständige nach Auszahlung der Gelder aber fest, dass sie womöglich nicht (mehr) antragsberechtigt (gewesen) waren. Sie zahlten zurück. Und sind jetzt wieder in Not, weil LKA und Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts einer Straftat ermitteln: Betrug.

Der Lebenssachverhalt

Aufgrund der Covid-19-Pandemie sahen sich viele Unternehmen und (Solo-) Selbstständige in einer existenzbedrohenden wirtschaftlichen Lage. Zur Abmilderung der finanziellen Folgen stellte der Bund im März 2020 Corona-Hilfsprogramme mit bis zu 50 Milliarden Euro bereit, die durch die Länder umgesetzt werden sollten. Die Beantragung und die Auszahlung sollten schnell und unbürokratisch abgewickelt werden. Doch was vielversprechend klang, entpuppte sich schnell als komplizierter als gedacht.

Durch die Anzahl der unterschiedlichen Fördermethoden und der nur spärlich explizierten Antragsvoraussetzungen war die Informationslage oft schwierig und unübersichtlich. Vor Antragstellung war es in der Regel nicht möglich, die genauen Bedingungen für die Beantragung der Hilfe zu erfahren. Mit der Zeit häuften sich daher Berichte über unberechtigte Inanspruchnahmen von Soforthilfen.

Aus Furcht davor, bei den Anträgen etwas falsch gemacht zu haben, zahlten viele Antragsteller die Gelder unmittelbar nach Erhalt an die Landesbanken zurück – nicht zuletzt deshalb, weil Berlins Förderbank IBB die Empfänger mehrfach darauf hingewiesen hatte, dass sie „das Geld freiwillig zurückzahlen sollten, wenn sie die Förderbedingungen nicht erfüllten“. Diesem Aufruf folgten viele Menschen. Insgesamt zahlten 34.738 der 200.000 Empfänger den Corona-Zuschuss aus der Soforthilfe II ganz oder teilweise zurück.

Doch wer meint, damit klug reagiert zu haben, irrt. Denn die Staatsanwaltschaft hatte zwischenzeitlich das Landeskriminalamt dazu aufgefordert, gegen alle „Rückzahler“ zu ermitteln, die das Geld innerhalb der ersten zwei Wochen an die IBB zurückgezahlt hatten. Aus dem Umstand der Rückzahlung ergebe sich, dass die Fördermittel von Anfang an zu Unrecht in Anspruch genommen worden seien.

Als Folge dessen erhielten ca. 5.200 Menschen ein Schreiben des Landeskriminalamts Berlin, in dem sie über das gegen sie eingeleitete Strafverfahren wegen Betruges, Computerbetruges oder Subventionsbetruges belehrt wurden.

Die rechtliche Ausgangslage

Obwohl das zutreffende Delikt für diesen Sachverhalt der Subventionsbetrug nach § 264 StGB wäre, ermitteln die Behörden auch vermehrt wegen Betruges oder Computerbetruges. Das ist aus multiplen Gründen nicht ganz richtig.

Die Corona-Soforthilfen sind Subventionen im Sinne von § 264 Abs. 8 StGB. Hat ein Antragsteller unrichtige oder unvollständige Angaben über subventionserhebliche Tatsachen bei der Antragstellung gemacht, könnte er sich wegen Subventionsbetruges nach § 264 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben.  

Für eine „subventionsrelevante Tatsache“ kommt es jedoch nicht darauf an, für wie relevant der Antragsteller die Tatsachen einstuft. Nach § 264 Abs. 9 StGB sind nur solche Angaben subventionsrelevant, „die durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes von dem Subventionsgeber als subventionserheblich bezeichnet sind“. Das trifft nur auf solche Angaben zu, welche durch die Bundesländer „klar und unmissverständlich“ als erheblich für die Bewilligung der Soforthilfen definiert worden sind. 

Wegen Subventionsbetruges macht sich auch nicht nur derjenige strafbar, der vorsätzlich unrichtige Angaben macht, sondern auch, wer nur leichtfertig unrichtige Angaben gemacht hat.

Allerdings folgt allein aus dem Umstand der Rückzahlung noch nicht, dass bei der Antragstellung falsche Angaben gemacht worden sind. Die Rückzahlung kann vielmehr vielfältige andere Gründe haben. So könnten sich zwischen dem Zeitpunkt der Antragstellung und der Fördermittelauszahlung noch „subventionserhebliche Tatsachen“ ergeben haben, die dazu führten, dass der Antragsteller die Förderung nicht mehr benötigte. Das konnte beispielsweise der Fall sein, wenn sich das Geschäft trotz Pandemie doch besser entwickelte als zunächst befürchtet oder wenn offene Rechnungen doch noch beglichen worden waren.

Einleitung der Ermittlungsverfahren rechtmäßig?

Die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens setzt nach der Strafprozessordnung einen Anfangsverdacht voraus. Dieser ist dann anzunehmen, wenn „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer verfolgbaren Straftat“ vorliegen (§ 152 Abs. 2 StPO). Zwar ist dessen Schwelle von Rechts wegen sehr niedrig angesetzt; bloße Vermutungen reichen jedoch nicht aus. Ob diese Schwelle durch die bloße Rückzahlung von Corona-Soforthilfen schon erreicht ist, ist zweifelhaft.

Lag von Beginn an kein Anfangsverdacht vor, so durften erst gar keine Ermittlungen geführt werden. Das Verfahren ist im Ermittlungsverfahren daher jedenfalls nach § 170 Abs. 2 StPO einzustellen.

Es überrascht daher kaum, dass die Ermittlungen gegen die Rückzahler im Senat für Ärger sorgten. Insbesondere der Kultursenator Klaus Lederer (Linke) äußerte sich am 1. Juni 2021 empört über diese Strafverfolgungspraxis, die für ihn nur schwer verständlich sei. „Die Tatsache, dass man Geld zurückgezahlt hat, kann keinen Anfangsverdacht begründen“, sagte der Kultursenator. Die Politik könne der Ermittlungsbehörde diesbezüglich aber keine Anweisungen erteilen.

Auch die Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) äußerte ihre Verärgerung. Es könne nicht sein, dass die Rückzahler mit einem Strafverfahren überzogen werden.

Welche Konsequenzen drohen?

Bei Subventionsbetrug, Betrug und auch Computerbetrug können im Falle einer Verurteilung eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren verhängt werden. Zusätzlich sind wirtschaftliche Folgen zu erwarten, wenn und weil die gewährte Corona-Soforthilfe im Strafverfahren wieder eingezogen wird (§ 74c StGB) und auch berufliche und gewerberechtliche Konsequenzen drohen können.

Was ist zu tun?

Ob auf Grund der gegenwärtigen Aussagen im Senat damit zu rechnen sein wird, dass die Staatsanwaltschaft viele der eingeleiteten Ermittlungsverfahren schon mangels Anfangsverdachts einstellt, bleibt zu wünschen, aber offen. Wichtig ist vielmehr, auf ein Schreiben der Polizei nicht unbedacht zu reagieren, stattdessen das eigene Handeln anwaltlich überprüfen und schriftsätzlich vortragen zu lassen. Die Verteidigungschancen stehen oft gut.

Ansprechpartner
Dr. Sebastian T. Vogel