Lehrer und Lehrerinnen – und Strafverfahren I
Obhutspflichten und Betreuungspflichten von Lehrkräften
Lehrkräfte tragen Verantwortung. Wie viel Verantwortung dem Lehrpersonal in Deutschland hinsichtlich Erziehung und fachlicher Ausbildung aller nachkommenden Generationen zukommt, ergibt sich – klar – aus der Natur ihres Berufes. Inwiefern aber individuelle und umfassende Obhuts- und Betreuungspflichten ebenfalls ein Kernbereich des Berufsbildes waren und sind, deren Missachtung schwerwiegende Folgen für Leib und Leben von Schülern sowie die Pädagoginnen selbst haben kann, ist ein Strafverfahren Beleg, dem der Tod einer Schülerin während einer Klassenfahrt zugrunde lag. Diese Tragödie dokumentiert ein weiteres Mal: Das Ideal eines Lehrers, einer Lehrerin kennt keine Nachlässigkeiten – und auch knapp 30 Jahre Berufserfahrung schützen dabei unter Umständen nicht vor folgenschweren (vermeintlichen) Sorgfaltspflichtverletzungen.
Der Fall
Angeklagt waren zwei Lehrerinnen einer Gesamtschule in Mönchengladbach. Sie waren (gemeinsam mit zwei weiteren Verantwortlichen) als beaufsichtigendes Lehrpersonal für eine Schulfahrt nach London eingesetzt, in deren Verlauf eine 13-jährige an Diabetes Typ 1 erkrankte Schülerin aufgrund Überzuckerung an einem Herzinfarkt verstorben war.
Bei dieser Schulfahrt im Sommer 2019 hatten sich mehr als 70 Kinder und Jugendliche aus den Jahrgängen acht bis zwölf angemeldet. Eine der Teilnehmerinnen, die später Gestorbene, nutzte aufgrund ihrer Diabeteserkrankung seit dem Jahr 2014 ein manuell zu bedienendes Blutzuckermessgerät und eine am Körper getragene Insulinpumpe, mit der die kontinuierliche Gabe des erforderlichen Insulins gesteuert wurde. Das Zusammenspiel aus Messgerät und Pumpe schlug dabei eine passende Dosis vor, die aber stets händisch freizugeben war. Auch eine eigene oder korrigierende Eingabe von Messwerten in die Pumpe war möglich.
Bei Aufnahme an der Gesamtschule im Jahr 2015 gaben die Eltern Entsprechendes an. Die Erkrankung wurde in der Schulakte vermerkt. Auch die damalige Klassenlehrerin wurde in Kenntnis gesetzt und über etwaige Warnzeichen im Zuge der Diabeteserkrankung informiert. Ein entsprechender Merkzettel befand sich im Klassenbuch und am schwarzen Brett im Lehrerzimmer. Die Schülerin wurde indes nie durch die angeklagten Lehrerinnen unterrichtet.
Im Vorfeld der Schulfahrt gab es eine von den Angeklagten durchgeführte unverbindliche Informationsveranstaltung für Schüler und Eltern. Dort fragte man das Plenum u. a. nach etwaigen gesundheitlichen Besonderheiten der Teilnehmer. Einige Eltern nutzten auch die Möglichkeit eines angebotenen Vier-Augen-Gesprächs, um die Angeklagten auf Vorerkrankungen ihrer Kinder hinzuweisen. Die inmitten stehende Schülerin und der Lebensgefährte ihrer Mutter nahmen an der Veranstaltung teil. Sie unterrichteten die Angeklagten dort aber weder mündlich noch schriftlich über die bestehende Diabetes-Erkrankung. Obwohl (angeblich) an der Gesamtschule üblich, blieb eine verbindliche, schriftliche Abfrage gesundheitlicher Besonderheiten und notwendigen Medikationen der Teilnehmer bei den Erziehungsberechtigten aus. Auch nahmen die Angeklagten keine Einsicht in die Schulakten der Teilnehmer und Teilnehmerinnen und informierten sich nicht bei den zuständigen Klassen- und Fachlehrern. Die Diabeteserkrankung des Mädchens blieb den verurteilten Lehrerinnen bis zu dem todbringenden Vorfall unbekannt.
Auf Grundlage der Beweisaufnahme nahm das Landgericht Mönchengladbach folgenden weiteren Hergang an: Die viertägige Schulfahrt begann am Mittwoch, dem 26. September 2019, mit der Abfahrt des Reisebusses in Deutschland. Nach der Ankunft am nächsten Tag bezog die Schülerin ihr Zimmer mit zwei gemeinsamen Freundinnen, beide 14 Jahre alt. Eine Blutzuckermessung ergab um 12:15 Uhr eine deutliche Erhöhung mit einem Wert von 542 mg/dl (Normalbereich: 90-180 mg/dl), der durch die folgende Insulingabe auf 283 mg/dl (gemessen um 14:12 Uhr) gesenkt werden konnte. Es handelte sich dabei um die letzte Messung während der Reise. Am Abend ging es der Schülerin und einer ihrer Zimmerbewohnerinnen nach Besuch eines chinesischen Restaurants schlecht. Beide erbrachen, die in Rede stehende Schülerin fortwährend. Eines der Mädchen informierte die später angeklagten Lehrerinnen an jenem Abend über den Zustand der Schülerin – eine Nachschau durch die Lehrerinnen blieb aus.
Am darauffolgenden Tag war der Gesundheitszustand des Mädchens unverändert schlecht. Auch eine ihrer Zimmerbewohnerinnen fühlte sich erkältungsbedingt unwohl. Die Mädchen informierten die Lehrerinnen morgens erneut über den anhaltend schlechten Zustand der beiden Schülerinnen und gaben an, dass diese an dem anstehenden Ausflug nicht teilnehmen könnten. Die Schülerin und ihre Freundin durften gemeinsam im Hotel bleiben; sie sollten sich bei einer weiteren Verschlechterung ihres Zustandes melden. Erneut unterblieb eine entsprechende Nachschau durch die Lehrerinnen.
Um 11:49 Uhr gab die Schülerin manuell einen Wert von 151 mg/dl in das Messgerät ein und 13:43 Uhr von 188 mg/dl. Die Pumpe gab entsprechend abgestimmte Insulindosen ab. Der Blutzuckerspiegel könnte tatsächlich deutlich höher gewesen sein. Dabei handelte es sich um die letzte Insulingabe auf der gesamten Reise. Am Abend wurden die Angeklagten erneut über das fortwährende Erbrechen der Schülerin informiert. Sie wiesen an, Salzstangen und Cola für die Schülerin zu kaufen – erneut unterblieb eine persönliche Nachschau durch die Angeklagten.
In der Nacht auf Samstag, dem 29. September 2019, hatte sich der Gesundheitszustand der Dreizehnjährigen nach weiterem Erbrechen nochmal erheblich verschlechtert. Bei der morgendlichen Zimmervisite erkannten die Angeklagten dies – die Schülerin war matt, schläfrig, verwirrt und kaum ansprechbar. Sie verständigten den Notarzt und telefonierten mit der Mutter, von der sie erstmals von der Diabetes-Erkrankung erfuhren. Der Arzt stellte einen Zuckerschock mit einem Spiegel von 1.333 mg/dl fest. Das Mädchen wurde umgehend ins Krankenhaus gebracht und verstarb am Sonntagnachmittag an einem Herzinfarkt in Folge der diabetesbedingten schwerwiegenden Stoffwechselentgleisung. Ursächlich waren die unzureichenden Insulingaben und das starke Erbrechen, was mit derartigen kognitiven Einschränkungen einherging, dass das Mädchen nicht mehr selbst in der Lage war, sich ausreichend um ihr Diabetesmanagement zu kümmern. Wäre sie am Abend des 28 September 2019, so das Urteil, medizinisch versorgt worden, hätte der Tod mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert werden können.
Entscheidung des Tatgerichts
In erster Instanz wurden die angeklagten Lehrerinnen wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen gemäß §§ 222, 13 Abs. 1 StGB verurteilt (LG Mönchengladbach, Urt. v. 15.02.2024 – 23 KLs 6/23).
Der Vorwurf: Mit gewissenhafterer Vorbereitung der Schulfahrt durch verbindliches Abfragen bestehender Krankheiten oder Einsicht in die Schulakte hätte die Diabetes-Erkrankung des 13-jährigen Mädchens den Angeklagten bekannt gewesen sein können. Der Gesundheitszustand auf der Schulfahrt hätte dann richtig eingeschätzt, das passende medizinische Vorgehen gewählt und der Tod des Mädchens verhindert werden können. Randnotiz: Obgleich der Tod der Schülerin im Ausland eingetreten war, war das deutsche Strafrecht gemäß § 9 Abs. 1 StGB anwendbar, weil jedenfalls ein Teil des Unterlassens in Gestalt der unterbliebenen Einholung von Gesundheitsinformationen betreffend die Schülerin noch in Deutschland stattfand, die Tat insofern teilweise im Inland „begangen“ wurde.
Den Ausführungen des Landgerichts zufolge resultierte eine Garantenpflicht der Lehrerinnen aus dem öffentlich-rechtlichen Schulverhältnis (§ 42 SchulG NRW), den allgemeinen Aufgaben der Schule sowie aus § 57 Abs. 1 SchulG NRW, wonach Lehrkräfte die Schüler zu beaufsichtigen und zu betreuen haben. Die Garantenpflicht von Lehrerinnen trete dabei grundsätzlich neben die Aufsichtspflicht der Eltern aus § 1631 Abs. 1 BGB, an deren Ausübung die Eltern aber im Falle der Teilnahme an einer Schulfahrt faktisch gehindert seien. Das Landgericht: „Im Falle der Erkrankung eines Schülers bzw. einer Schülerin während des Unterrichts, während einer sonstigen Schulveranstaltung am Schulort oder während einer Klassen- bzw. Schulfahrt besteht die Aufsichtspflicht der Schule bzw. der konkret aufsichtsführenden Lehrer solange fort, bis der erkrankte Schüler/die erkrankte Schülerin gefahrlos in die Obhut seiner Eltern (nach Hause) gelangt ist.“
Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass die vorherige schriftliche und verbindliche Abfrage von Gesundheitsdaten bei Schülerinnen und Schülern dem Prozedere entspreche, welches von einem gewissenhaften und sorgfaltsgemäß handelnden Lehrer vor einer Schulfahrt zu erwarten sei. Das Unterlassen dieser Abfrage begründe folgerichtig den tatbestandlichen Sorg-faltspflichtverstoß. Zitiert wird dabei auch die speziell für den Raum NRW geltende „Richtlinie für Schulfahrten“ aus dem Runderlass des Ministeriums für Schule und Weiterbildung vom 19. März 1997, die Art und Umfang der Aufsicht des Lehrpersonals konkretisiere und statuiere, dass insbesondere Rücksicht auf Behinderungen und chronische Erkrankungen der Schüler zu nehmen ist. Daraus ergebe sich mittelbar auch die entsprechende Pflicht zum Einholen dieser Gesundheitsinformationen.
Der unverbindlich veranstaltete Informationsabend mit der Frage nach gesundheitlichen Besonderheiten an das Plenum habe dabei nicht ausgereicht, um diesem Sorgfaltsmaßstab zu genügen. Die Gefahr einer fehlenden Wahrnehmung dieser Frage durch das Publikum oder des fehlenden Erkennens der Notwendigkeit einer solchen Mitteilung, wenn die Erkrankung – wie bei dem gestorbenen Mädchen – bereits in der Schulakte vermerkt ist, habe offenkundig gewesen sein müssen. Auch sei der konkrete Tod für die Angeklagten objektiv vorhersehbar gewesen, weil ein Tod durch Überzuckerung als keine außerhalb allgemeiner Lebenserfahrung liegende ungewöhnliche Folge unerwartbar gewesen sei. Insbesondere bei fehlender Abfrage von Gesundheitsdaten erscheine ein solcher Fall wie hier nicht als völlig ungewöhnlich. Die Lehrerinnen hätten deshalb objektiv und subjektiv fahrlässig gehandelt und das Tatgericht verurteilte die bis dato strafrechtlich nicht in Erscheinung getretenen Lehrerinnen zu einer Geldstrafe von jeweils 180 Tagessätzen, wobei die besonders lange Verfahrensdauer (4,5 Jahre) strafmildernd berücksichtigt worden war. Die Angeklagten legten Revision gegen das Urteil ein.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs
Im Dezember 2024 wurde dieses Urteil durch den BGH bestätigt (Beschluss vom 18.12.2024 – 3 StR 292/24). Der 3. Strafsenat konnte dabei keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Lehrerinnen erkennen. Das Landgericht habe insbesondere „rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Angeklagten gegen die ihnen obliegende Sorgfalt objektiv und subjektiv verstießen“. Sowohl die Sach- als auch die Verfahrensrügen blieben im Ergebnis erfolglos. (Eine Entscheidungsbegründung ist bis zum Schreiben dieses Beitrages am 20. März 2025 noch nicht veröffentlicht.)
Offene Fragen
Urteilsgründe geben nicht den vollständigen Inhalt einer strafrechtlichen Hauptverhandlung wieder. Dargestellt wird zum einen nur das für die Entscheidung Relevante, wohingegen das vermeintlich Irrelevante ausgeblendet wird. Zum anderen sperren sich große Teile der Justiz und wesentliche Akteure der Legislative dagegen, Hauptverhandlungen vor dem Landgericht digital aufzuzeichnen, weshalb nur das in das Urteil einfließen kann, was ein berichterstattender Richter während einer Vernehmung, während er gleichzeitig zuhört und mitdenkt und mitfragt, mitschreibt oder das Gehörte für sich zusammenfasst, und woran sich das Gericht nach regelmäßig vielen Hauptverhandlungen noch im Detail zu erinnern vermag.
So wirft der Fall durchaus Fragen auf, die gerichtsseitig (jedenfalls ausweislich der Urteils-gründe) wenig bis gar nicht beleuchtet wurden und die mit der „Schuldkonzentrierung“ auf die angeklagten Lehrerinnen unter Umständen in Konflikt stehen (könnten): Wie war der Ablauf der Schulfahrt? Hektisch? Chaotisch? Knapp zwanzig Kinder pro Lehrer scheinen ein relativ hohes Pensum an Betreuung darzustellen. Wie viele Kinder waren sonst noch krank oder brauchten Betreuung? Warum oblag die Vorbereitung einer klassenübergreifenden Schulfahrt nur den Lehrern? Oder wäre es bei einem solchen Ausmaß nicht angebracht, dass seitens der Schulleitung feste Prozesse insbesondere im Hinblick auf die Gesundheitsabfrage der Teilnehmer implementiert sind? Gab es solche Prozesse? Hätte das Prozedere nicht auch derart gestaltet gewesen sein können, dass die entsprechenden Klassen- und Fachlehrer verpflichtet sind, maßgebliche (Gesundheits-)Informationen der Schüler vor der Fahrt an die Leitung heranzutragen? Ihnen sind solche Infos ja eben bekannt gewesen. Und was war eigentlich mit den Eltern? Gab es keinen Kontakt zu der Tochter während der Fahrt (vor Samstag)? Es ist verständlich, Eltern keinen Vorwurf zu machen. Und ein vollständiges Urteil hätte durchaus auch peripher schauen können, durch welche ggf. fehlenden Prozesse (innerhalb der Schule), durch welche womöglich fehlende Kommunikation (nicht nur für die Lehrerinnen war eine Überzuckerung vorhersehbar), durch welche Umstände vor Ort (13 und 14 Jahre sind kein leichtes Alter) ein nicht pflichtgemäßes Reagieren begünstigt worden sein konnte. Und es wäre gut gewesen zu eruieren, was die Lehrerinnen alles tatsächlich gemacht, richtig gemacht hatten vor und während der Fahrt, welche Aufgaben sie sonst noch hatten und erfüllten – um die vermeintlichen Fehler ins Verhältnis zu setzen zu den sonstigen Aufgaben der Lehrerinnen im Zusammenhang mit dieser Fahrt, die Zeit in Anspruch nahmen und die sorgfaltsgemäß waren.
Konsequenz für die Verteidigung in solchen Verfahren
Geht es um Kinder, die verletzt wurden oder gestorben sind, dann geht es nicht nur um eine formalistische rechtliche Prüfung – es geht, zumindest auch, um Emotionen. Strafprozesse wie dieser sind der menschlichen Natur gemäß ein nicht zuletzt subjektiv geprägtes Konstrukt, in dem die Rechtsanwendung in besonderem Maße von dem Ausfüllen auslegungsbedürftiger Formeln durch die Richterinnen, den Staatsanwalt, auch mittelbar die Zeugen sowie (nicht zu vergessen) die Öffentlichkeit und die Medien abhängt. Einfallstor für die strafrechtliche Bewertung, so wie auch in dem hiesigen Fall, sind dabei vor allem die Begriffe der Sorgfaltspflichtverletzung und der Vorhersehbarkeit im Rahmen von Fahrlässigkeitsdelikten, deren Bewertung je nach Anwender auch ganz unterschiedlich ausfallen kann. Und dabei ist eindeutig: Je schwerer der Taterfolg emotional wiegt, desto lauter wird in der Nachschau der Schrei nach dem retrospektiv gewünschten Alternativverhalten sein. Denn: Wenn mich als Mensch der Tod eines anderen Menschen, zumal eines Kindes, besonders mitnimmt, desto eher werde ich dazu neigen, mir eine emotional ausgleichende, „angemessene“ Strafe zu wünschen. Menschen, das ist psychologisch belegt, haben schlicht nicht nur einen Drang zur Kausalitätserklärung, sondern auch zum Strafen. Und: Ex post, in dem Wissen um den fatalen Ausgang, werden häufig strengere Maßstäbe an die vermeintlich anzulegende Sorgfalt angelegt, als es viele in der Ex-ante-Situation selbst getan hätten, Stichwort: Rückschaufehler.
Eine Verteidigung, bestenfalls durch Strafverteidiger, sollte alles daransetzen, die besondere Emotionalität eines solchen Verfahrens von Beginn an in die richtigen Bahnen zu lenken. Das bedeutet Empathie an der richtigen Stelle, bedeutet ein Bestehen auf juristische Genauigkeit im richtigen Ton, und das verlangt auch verfahrenspsychologisches Know-how.
Interessant und bestätigend dafür ist dabei auch die Divergenz, die die juristische Einschätzung von Sorgfaltspflichten unter verschiedenen Bewertenden haben kann: Hatte zunächst das LG Mönchengladbach die Anklage gegen die Lehrerinnen abgelehnt, weil „man als medizinischer Laie nicht sofort erkennen müsste, wann eine Schülerin umgehend ins Krankenhaus einzuliefern sei“, wurde die Anklage sodann doch (auf die sofortige Beschwerde des Vaters hin) durch das OLG Düsseldorf zugelassen – und am Ende stand eine Verurteilung.
Auch überraschend: Vor der Entscheidung über die Beschwerde gegen die Nichteröffnung entschied sich die Staatsanwaltschaft, gegen die Eltern des 13-jährigen Mädchens zu ermitteln – wegen einer angeblich versäumten Unterrichtung über die Diabetes-Erkrankung und einer damit einhergehenden Verantwortlichkeit für den Tod der eigenen Tochter. Auch das mag ein Hinweis sein auf die Neigung des Menschen zu strafen angesichts solch eines tragischen Falles. Was die Aufnahme von Ermittlungen oder gar die Erhebung einer Anklage für Eltern, die jüngst ihr Kind verloren haben, emotional bedeuten kann, ist nicht zuletzt ebenfalls eine Frage von Empathie. Der Unterschied: Die Staatsanwälte konnten ohne jede Sanktionsangst Fehler begehen. Die angeklagten Lehrerinnen wurden verurteilt.
Im Ergebnis steht: Ein solcher Fall bedarf der ganzen Routine einer Verteidigung, die von der ersten Minute an agiert. Empathie, Kommunikation und juristische wie verfahrenspsychologische Genauigkeit sind die Schlüsselwörter. Das steigert die Chancen auf ein gerechtes Ergebnis – und damit ein richtiges, nicht nur ein menschliches Ergebnis. „Menschlich“ bedeutet nicht immer gleich „falsch“. Aber auch irren ist menschlich.
Ansprechpartner
Dr. Sebastian T. Vogel