Pharma- und Medizinprodukteunternehmen dürfen mit klinisch tätigen Ärztinnen und Ärzten Beraterverträge schließen. Unter Umständen. Unter bestimmten Umständen aber auch nicht. Dann können Essenseinladungen, Vortragsreisen, passives Fortbildungssponsoring schnell zur Gefahr werden – zur Gefahr, dass ein Strafverfahren eingeleitet wird. FS-PP Berlin hat einen CEO eines Medizinprodukteunternehmens erfolgreich gegen den Vorwurf der Korruption im Gesundheitswesen verteidigt. Sowohl im Vorfeld als auch im Verteidigungsfalle kann man viel richtig machen – und viel falsch.

Die faktische Realität

Medizinprodukteunternehmen, Pharmaunternehmen, sonstige Player in der Gesundheitsbranche wollen Umsatz generieren und Patienten helfen. Sie entwickeln (inhouse) neue Produkte. Sie werben auf Messen, Kongressen, in Fachzeitschriften, treten an Einkaufsgemeinschaften oder direkt an Krankenhäuser heran. Das kann funktionieren. Das funktioniert noch besser, wenn man den Kontakt so genannter Key Opinion Leader sucht, um sie für das eigene Produkt einzunehmen – damit diese Key Opinion Leader als Multiplikatoren wirken auf Messen, Kongressen, in Fachzeitschriften und in den Krankenhäusern, in denen sie arbeiten.

Solche Key Opinion Leader sind häufig klinisch tätige Ärztinnen und Ärzte mit einer besonderen Expertise, einer hohen Reputation, einer großen Reichweite über ihr Wirken in Wissenschaft und Praxis. Hat man diese Heilberufler von den eigenen Produkten überzeugt (oder besser: waren sie vorher schon überzeugt), dann ist der Weg nicht weit, dass man solche Ärztinnen und Ärzte zum Beispiel für das eigene Medical Advisory Board (MAB) begeistert, um die Inhouse-Entwicklung durch externen Input zu fördern. Solche Ärztinnen und Ärzte prüfen die Arzneimittel, Medizinprodukte, Nahrungsergänzungsmittel etc. selbst in der Praxis, verbessern sie, erzählen anderen Ärzten davon, halten Vorträge darüber, fahren auf Kongresse, empfangen Hospitanten aus anderen Kliniken, die z. B. bei Operationen der Ärztin mit den jeweiligen Medizinprodukten zugegen sind.

Für solche Tätigkeiten in MABs gibt es ein Honorar. Für Hospitationen gibt es Vergütungen. Vorträge werden bezahlt. Zu Kongressen werden die Key Opinion Leader gern eingeladen, Tagungsgebühren und Hotelkosten und Flüge in der Business Class inklusive. Beim Essen bespricht man sich; auch die Restaurantrechnung übernimmt nicht die Ärztin.

Und natürlich: werden diese Produkte oder Arzneimittel auch in der eigenen Praxis, im eigenen OP, der eigenen Klinik oft angewendet, sodass das Medizinprodukte- oder Pharmaunternehmen nicht nur durch die neu „geworbenen“ Kunden verdient, sondern auch dadurch, dass der Arzt selber (direkt oder indirekt) für Beschaffungsentscheidungen sorgt.

Die rechtliche Realität

Solche Beraterverträge, ein solches passives Fortbildungssponsoring, Vergütungen für Vorträge und Essenseinladungen sind nicht per se strafbar. Aber: Das Recht hält Regeln bereit, auch das Strafrecht, die nicht verletzt werden sollten.

Wegen Bestechung im Gesundheitswesen kann sich nach § 299b StGB strafbar machen, wer (etwas verkürzt dargestellt) einem Heilberufsangehörigen im Zusammenhang mit dessen Berufsausübung einen Vorteil als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er u. a. bei der Verordnung oder dem Bezug von Arznei- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten ihn oder einen anderen im Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge.

Strafverfahren wegen Bestechung und Bestechlichkeit, kurz: Korruption im Gesundheitswesen werden geführt. Heute. Vielfach. Handelt es sich um eine Ärztin eines kommunalen Krankenhauses, können auch noch Amtsträgerdelikte hinzukommen, bei angestellten Ärzten generell § 299 StGB, der die Bestechlichkeit und die Bestechung im geschäftlichen Verkehr unter Strafe stellt.

Die Denke in der hiesigen Konstellation: Der oder die Heilberufsangehörige erhält nur deshalb Kohle von dem Pharma- oder dem Medizinprodukteunternehmen, damit er oder sie noch mehr (oder überhaupt von diesem Unternehmen) verordnet oder bestellt – und andere Unternehmen einen Wettbewerbsnachteil haben.

Interessiert sich ein Staatsanwalt erst einmal für dieses Thema – weil er von einem Konkurrenzunternehmen oder einem Mitarbeiter des Krankenhauses oder einem Neider der Ärztin über eine Strafanzeige informiert worden ist –, kann es lange dauern und unschön werden. Dann kann es zu Durchsuchungen kommen (zu Hause bei der Ärztin, in der Klinik, im Medizinprodukte- oder Pharmaunternehmen), werden Zeugen befragt, Finanzermittlungen angestellt. Und ehe solch ein Strafverfahren beendet ist, dauert es nicht nur Monate, sondern Jahre, in denen alle gläsern geworden sind.

Die perfekte Realität

Wer als Arzt, Ärztin, Vertriebs- oder sonstiger Mitarbeiter eines Unternehmens im Gesundheitsmarkt, auch wer in einem Krankenhaus mit Compliance-Fragen oder im Justiziariat mit solchen Konstellationen in Berührung kommt, kann verschiedentlich reagieren.

Selten perfekt ist eine Reaktion, die ohne jedwede Prüfung alles verdammt und Abstand davon nimmt. Jede Seite – auch und nicht zu vernachlässigen: die Patientenseite – kann von Kooperationen im Gesundheitswesen profitieren.

Selten perfekt ist eine Reaktion, die jede Kooperation mit offenen Armen (und geschlossenen Augen) kritiklos begrüßt. Dadurch werden Risiken generiert, die sich in ein jahrelanges und existenzbedrohendes Strafverfahren auswachsen können.

Perfekt agiert, wer sorgsam prüft, prüfen lässt, im Vorhinein schon, wer Compliance-Regeln aufstellt und befolgt. Dann ist vieles möglich, beginnend vom Fortbildungssponsoring über Beraterverträge bis hin zu Vortragshonoraren. Das Ob steht meist nicht zur Debatte, sondern das Wie ist sorgsam abzuwägen.

Und ist bereits ein Strafverfahren eingeleitet, lässt es sich mit einer klugen Verteidigung oft zu einem guten (und stillen) Ende führen. Wer um die richtigen Argumente weiß betreffend die Kalkulationsgrundlagen für Honorare und Abrechnungen, wer die Kriterien kennt, die an ein zulässiges Fortbildungssponsoring anzulegen sind, wer überhaupt Struktur und Sinn und Zweck der §§ 299a und 299b StGB versteht und die einzelnen Tatbestandsmerkmale, dem werden Verteidigungsargumente einfallen, von profanen Fragen der Angemessenheit über den Heilberufsbezug bis hin zu Abseitigem wie der luncheon technique. Und dann enden solche Verfahren gern dort, wo sie angefangen haben: im Ermittlungsverfahren, nicht im Gerichtssaal.

Ansprechpartner
Dr. Sebastian T. Vogel