Der Begriff Technik-Compliance oder Technical Compliance (auch: Tech Compliance) ist in die aktuelle Compliance-Diskussion gelangt. Anlass ist der VW Diesel Skandal. Ist das Geschäftemacherei der Berater oder der Versuch verantwortlicher Leitungspersonen, die Verantwortung für Rechtsverletzungen den Technikern im Unternehmen zuzuweisen? Oder ist es der Beginn einer notwendigen Diskussion?

Compliance bedeutet Regeleinhaltung

Die Pflicht, Compliance im Unternehmen sicherzustellen, ist Leitungspflicht und trifft das gesamte Leitungsorgan. Das Leitungsorgan genügt der Pflicht, indem es ein Compliance-Management-System (CMS) im Unternehmen implementiert. Zielbestimmung des CMS und Risikoidentifikation sind maßgebliche Elemente. Ein CMS muss regelmäßig auf seine Geeignetheit und Wirksamkeit überprüft werden.

Technik ist kein rechts- und regelfreier Raum

Die Technik in Unternehmen unterliegt einer Vielzahl von öffentlich-rechtlichen Vorschriften des nationalen (deutschen) und internationalen (insbesondere europäischen) Rechts. Diese beschränken sich nicht nur auf Erlaubnisverfahren für die Errichtung und Inbetriebnahme von Anlagen, sondern gelten während des gesamten Betriebs bis hin zu Stilllegung und ggf. Rückbau von Anlagen. Es handelt sich um Gesetze, aber in größerem Umfang um Rechtsverordnungen, die ihrerseits dynamische Verweisungen auf Standards der Sicherheitstechnik enthalten. Eine Vielzahl von Geboten und Verboten werden flankiert von Bußgeld- oder sogar Strafvorschriften.

Compliance-Risiken im Technikrecht

Die Verletzung technikrechtlicher Vorschriften, die bußgeld- oder strafbewehrt sind, ist also mit Sanktionsrisiken und damit auch Reputationsrisiken behaftet. Hinzu treten die möglicherweise dramatischen Folgen einer straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtlichen Vermögensabschöpfung.

Technikrecht als blinder Fleck im Auge der Compliance

Niemand stellt infrage, dass Ingenieure und andere Techniker in Unternehmen ebenso rechtstreu sind wie alle anderen Berufsgruppen. Jedoch zeigt die aktuelle Diskussion, dass die Unternehmen bislang der Selbstorganisation ihres technischen Apparates vertrauen, wenn es um die Einhaltung technikrechtlicher Regelungen und die Steuerung des Risikos von Rechtsverletzungen in diesem Bereich geht. Compliance wird vielfach als Sache der Betriebswirte und Juristen behandelt. Ingenieure sitzen selten in dem Compliance-Komitee eines Unternehmens.

Compliance ist Risikosteuerung

Compliance-Management-Systeme sollen Risiken steuern, indem sie identifiziert, bewertet und durch organisatorische Regelungen und Verfahrensanweisungen kontrolliert werden. Genau das ist im technischen Bereich möglich und deshalb auch geboten.

Eine Vielzahl von technikrechtlichen Regelungen unterschiedlichster Bereiche gebieten, dass bestimmte Anlagen oder Verfahrensweisen jederzeit dem aktuellen Standard der Sicherheitstechnik, in der Regel definiert als Stand der Technik, entsprechen. Das Rechtsgebot ist regelmäßig bußgeldbewehrt. Wird im Einzelfall verkannt, dass eine Anlage oder Verfahrensweise einem fortentwickelten Stand der Sicherheitstechnik hätte angepasst werden müssen, ist allein dadurch der objektive Tatbestand einer Bußgeldvorschrift erfüllt. Nur die Verantwortung für den Rechtsverstoß muss dann noch zugewiesen werden.

Was hat zu geschehen?

Die für Anlagen und Verfahren sowie Produkte geltenden Rechtsvorschriften sind zu identifizieren. Die Folgen von Rechtsverstößen sind zu beschreiben und zu bewerten: Gibt es lediglich eine Anordnungsbefugnis der Behörde oder droht eine Verfolgung als Ordnungswidrigkeit oder Straftat? Welche organisatorischen Anordnungen sind erforderlich, um in angemessenen Abständen Anlagen und Verfahrensweisen auf Rechtskonformität zu prüfen?

Der Ingenieur in der Compliance-Organisation

Zweifellos wird Technik-Compliance in den Unternehmen nur umgesetzt werden können, wenn die technisch Verantwortlichen sich der Bedeutung systematischer Steuerung rechtlicher Risiken in ihrem Bereich bewusst werden. Sie müssen die Ressourcen für Compliance in ihrem Verantwortungsbereich einfordern und sie müssen von den Juristen und Betriebswirten in die Gestaltung des Compliance-Management-Systems eingebunden werden.

Technik-Compliance ist ein neues Thema. Die Kompetenz von FS-PP Berlin auf diesem Gebiet gründet sich darauf, dass Partner Rainer Frank seit Anbeginn seiner Anwaltstätigkeit in den Bereichen Umwelt- und Arbeitsschutzstrafrecht sowie Ordnungswidrigkeitenrecht unternehmensberatend und verteidigend tätig ist. Die Kanzlei verfügt daher auf dem Gebiet des Technikrechts an der Grenze zum Haftungsrecht über erhebliche Erfahrungen. Siehe hierzu auch den Beitrag Umwelt- und Arbeitsschutzstrafrecht als Technikstrafrecht.

 

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Dr. Rainer Frank