Freikarten an Politiker? Das kann legal sein. Muss es aber nicht. Und die Weitergabe von Freikarten durch diese Politiker an Dritte: kann auch legal sein. Oder doch nicht? Die Hamburger Rolling-Stones-Affäre bekommt eine Zugabe, nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Hamburg aufgehoben und die Sache an das LG Hamburg zurückverwiesen hat. Was denn nun: Getting satisfaction yes oder no?

Der Fall

Inmitten des Strafverfahrens stehen Korruptionsvorwürfe im Zusammenhang mit einem Konzert der Rolling Stones am 9. September 2017 im Hamburger Stadtpark. Nach den Feststellungen des LG Hamburg forderte ein damaliger Bezirksamtsleiter bei den Vertragsverhandlungen über die Nutzung des Stadtparks von dem Konzertveranstalter Freikarten und Optionen zum Erwerb von Karten außerhalb des regulären Verkaufs. Deren Geschäftsführer und der zuständige Projektleiter überließen ihm daraufhin 100 Freikarten im Gesamtwert von 14.743,90 € sowie 300 Kaufoptionen. Die Freikarten verteilte der Bezirksamtsleiter in seinem Bezirksamt, u. a. an einen damaligen Dezernatsleiter sowie an Auszubildende und seine Sekretärin. Der Dezernatsleiter verfasste in Absprache mit dem Bezirksamtsleiter ein rückdatiertes Schreiben, um eine Genehmigung der Annahme der Freikartenspende nach den dafür geltenden Dienstvorschriften zu fingieren. Unter Nutzung der von dem Bezirksamtsleiter angebotenen Kaufoptionen erwarben drei Hamburger Staatsräte Karten für die Veranstaltung. Der Bezirksamtsleiter selbst nahm zudem auf Einladung des Geschäftsführers und des Projektleiters des Konzertveranstalters an dem Konzert und an einem vorherigen Abendempfang teil. 

Das Landgericht hat den Bezirksamtsleiter wegen Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung und den ehemaligen Dezernatsleiter wegen Vorteilsannahme sowie wegen Beihilfe zur Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung jeweils zu Geldstrafen verurteilt. Zudem hat es die Einziehung des Wertes der Freikarten angeordnet. Von einer Verurteilung des Bezirksamtsleiters wegen Untreue oder Bestechlichkeit und des Dezernatsleiters wegen Beihilfe hierzu hat es abgesehen, weil es nicht festzustellen vermocht hat, dass die Höhe des Nutzungsentgelts für den Ort des Konzerts unangemessen niedrig gewesen oder durch die Gewährung der Freikarten beeinflusst worden wäre. Ebenso wenig hat das Landgericht es als strafbar bewertet, dass der Bezirksamtsleiter eine Einladung zu Abendempfang und Konzert angenommen hat; dies habe der Erfüllung legitimer Repräsentationsaufgaben gedient. Den Geschäftsführer des Konzertveranstalters und den für die Veranstaltung zuständigen Projektleiter hat es von den Vorwürfen der Bestechung freigesprochen.

Die Entscheidung des BGH

Der Bundesgerichtshof hat das Urteil des LG Hamburg vom 8. April 2022 zum Aktenzeichen 622 KLs 4/20 am 31. August 2023 insgesamt – auf Grund von Rechtsfehlern sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten des Bezirksamts- und des Dezernatsleiters – aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen (5 StR 447/22).

Erstens (und zwar fehlerhaft zu Lasten des Bezirksamtsleiters): sei mit Blick auf den von dem LG bejahten Straftatbestand der Vorteilsannahme durch Überlassung der Freikarten und Kaufoptionen nicht hinreichend gewürdigt worden, dass die Freikarten auch eine prinzipiell zulässige Gegenleistung des Konzertveranstalters für die Nutzung des Stadtparks gewesen sein könnten. Dann wären die Vorteile nicht „für die Dienstausübung“ im Sinne des § 331 StGB geleistet worden – und es fehlte an dem Tatbestandsmerkmal der Unrechtsvereinbarung.

Zweitens (fehlerhaft zu Gunsten des Bezirksamtsleiters): sei mit Blick auf den von dem LG verneinten Straftatbestand der Bestechlichkeit durch Forderung und Annahme der Freikarten und Kartenoptionen nicht ausreichend gewesen, als mögliche Gegenleistung lediglich die Bemessung des Nutzungsentgelts für den Stadtpark in den Blick zu nehmen, ohne zu bedenken, dass es den Angeklagten auch um Wohlwollen bei der Vertragsabwicklung gegangen sein könnte. Das LG habe zwar für sich genommen rechtsfehlerfrei begründet, dass die Bemessung des Nutzungsentgelts nicht zu beanstanden war, dabei aber verkannt, dass es nach § 332 Abs. 3 Nr. 2 StGB für die Tatbestandserfüllung schon ausreicht, wenn der Täter sich dem anderen gegenüber bereit zeigt, sich bei der Ausübung seines Ermessens von dem Vorteil beeinflussen zu lassen. Ausweislich des Urteils des LG, wonach der Bezirksamtsleiter, der Geschäftsführer und der Projektmanager übereingekommen gewesen seien, dass die Freikarten und Kartenoptionen bei der Bemessung des Nutzungsentgelts „in die Waagschale“ geworfen werden sollten, habe eine Erörterung dessen nahegelegen.

Drittens (fehlerhaft zu Lasten des Bezirksamtsleiters): sei mit Blick auf den von dem LG bejahten Straftatbestand der Vorteilsgewährung durch Verteilung der Freikarten an die Bezirksamtsmitarbeiter und der Kartenoptionen an die Staatsräte eine Unrechtsvereinbarung ebenfalls nicht hinreichend festgestellt worden, weil eine unredliche Beeinflussung der Dienstausübung bei Geschenken des Dienstvorgesetzten an seine Mitarbeiter eher fernliegt.

Viertens (fehlerhaft zu Gunsten des Bezirksamtsleiters): hätte es das LG aber nicht unterlassen dürfen, diesen Sachverhalt um die Verteilung der Freikarten unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Untreue nach § 266 StGB zu prüfen, weil der Bezirksamtsleiter Karten freihändig zu eigenen Zwecken verteilt habe, die möglicherweise der Anstellungskörperschaft übereignet waren.

Prävention und Verteidigung

Geben und nehmen, das kann so schön und einfach sein – nur nicht in der Politik, egal ob Bundespolitik, Landespolitik oder Kommunalpolitik (und auch das Europaparlament debattiert ja um Politiker und Politikerinnen und deren Geben und Nehmen). Selbst Volljuristen, erfahrene Berufsrichter, an einem Landgericht machen (jedenfalls nach Ansicht des BGH) nicht alles richtig, wie soll da der juristische Laie noch durchblicken?

Es gilt das, was FS-PP Berlin schon zu der erstinstanzlichen Entscheidung geschrieben hat (siehe dazu diesen Link): Klug agiert, wer sich schon im Vorhinein absichert, also nachfragt, den Dienstvorgesetzten oder die behördliche Compliance-Abteilung involviert, wer transparent ist und dokumentiert. Wer das tut, kann sicherer agieren, Sanktionen vermeiden (strafrechtliche wie solche aus dem Beamtenrecht) und unter Umständen trotzdem abhotten. Und ist ein Strafverfahren doch eingeleitet, sollte niemand zu- und abwarten: Am besten ist immer noch, gleich das Ermittlungsverfahren zu rocken und sich so früh wie möglich zu verteidigen.

Ansprechpartner
Dr. Sebastian T. Vogel