Seit zu Jahresbeginn das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) in Kraft getreten ist, gelten für Unternehmen mit mindestens 3.000 Arbeitnehmern im Inland umfangreiche Sorgfaltspflichten zum Schutz der Menschenrechte und der Umwelt im eigenen Geschäftsbereich wie auch in ihren globalen Lieferketten. Ab 01.01.2024 werden die Sorgfaltspflichten auch auf mittlere Unternehmen mit mindestens 1.000 Arbeitnehmern im Inland ausgeweitet. Verpflichtete Unternehmen sind gehalten menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken in ihren Lieferketten regelmäßig und anlassbezogen zu analysieren und zu steuern, ein Beschwerdeverfahren einzurichten, diese Maßnahmen zu dokumentieren und darüber zu berichten. Werden Sorgfaltspflichten verletzt, drohen behördliche Maßnahmen sowie empfindliche Bußgelder bis hin zu 2 Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes. Zuständige Behörde ist das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA).

In zwei aktuellen Fällen hat das BAFA nun demonstriert, dass es potenzielle Verstöße mit Nachdruck verfolgt. Zum einen gab die Behörde im Oktober 2023 bekannt, dass sie Ermittlungen gegen 58 deutsche Unternehmen wegen möglicher LkSG-Verstöße aufgenommen hat. Zum anderen prüft es derzeit Ermittlungen gegen deutsche Lebensmitteleinzelhändler aufgrund einer Beschwerde von Arbeitnehmern im Bananenanbau. Und auch im Falle der jüngst gegen BMW erhobenen Vorwürfe im Zusammenhang mit Kobalt-Abbau in Marokko dürften Ermittlungen des BAFA nicht lange auf sich warten lassen.

Der Fall Mazur

Im Frühjahr 2023 streikten Fernfahrer des polnischen Spediteurs Mazur auf einer hessischen Autobahnraststätte über mehrere Monate. Denn ihr Arbeitgeber sei für menschenunwürdige Arbeitsbedingungen und ausstehende Lohnzahlungen verantwortlich. Deutsche Medien berichteten über den Streik. Als die Fahrer im Sommer schließlich in den Hungerstreik traten, erwirkte Bundesarbeitsminister Heil eine Sonderprüfung durch das BAFA auf der Grundlage des LkSG – gegen deutsche Unternehmen, welche die Waren von Mazur empfangen sollten. Daraufhin nahmen Mitarbeiter des BAFA im September Kontakt mit den Fahrern vor Ort auf und ließen sich zahlreiche Frachtbriefe aushändigen. Wie das BAFA in einer Stellungnahme darlegt, prüft es nun etwaige Maßnahmen gegen 58 Warenempfänger, die den Vorgaben des LkSG unterliegen.

Der Fall Rewe/Edeka

Im Sommer 2023 hatten mehrere Menschenrechtsorganisationen, darunter Oxfam, mit deutschen Lebensmitteleinzelhändlern über Menschenrechtsverstöße bei Nahrungsmittelproduzenten gesprochen. Insbesondere im Bananenanbau klagten Arbeitnehmer aus Ecuador und Costa Rica über unzureichende Arbeitssicherheit und die Behinderung von Gewerkschaften. Im Gegensatz zu anderen Händlern hätten Edeka und Rewe vorrangig auf bestehende Nachhaltigkeitssiegel verwiesen. Die NGOs hielten das für unzureichend und unterstützten die betroffenen Arbeitnehmer bei einer Beschwerde beim BAFA. Das BAFA prüft nun weitere Maßnahmen gegen Edeka und Rewe.

Folgerungen für die LkSG-Compliance

Beide Fälle zeigen zunächst ganz allgemein das Risiko für deutsche Unternehmen, in den Fokus des BAFA zu rücken – mit allen möglichen Folgen für Finanzen und Reputation. Aus Sicht der Compliance belegen sie aber auch die Notwendigkeit funktionierender Compliance-Strukturen, um etwaigen Vorwürfen schnell und effektiv zu begegnen. Sollte durch das BAFA doch einmal eine Maßnahme angeordnet oder gar ein Bußgeld verhängt werden, zahlt es sich aus, wenn LkSG-Compliance und Interessenvertretung im Verwaltungsverfahren aus einer Hand erfolgen. Die ge-naue Kenntnis der internen Compliance-Struktur und der dahinterstehenden unternehmensspezifischen Erwägungen, etwa hinsichtlich des Umfangs der Risikoanalyse oder der Dokumentation, ist dann von Vorteil.

Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund der vielen Rechts- und Praxisfragen, die rund um das LkSG nach wie vor unbeantwortet sind. Im Fall Mazur trifft die Unternehmen der Vorwurf, sie hätten seit der medialen Berichterstattung über den Fernfahrerstreik Maßnahmen nach dem LkSG prüfen müssen, also etwa die Erstellung und Umsetzung eines Konzepts zur Verhinderung, Be-endigung oder Minimierung nach § 9 Abs. 3 Nr. 3 LkSG. Zu derartigen Maßnahmen verpflichtet das LkSG bei „substanzieller Kenntnis“ (§ 9 Abs. 3 LksG) von Menschenrechts- und Umweltverstößen. Doch ob lediglich mediale Berichterstattung dafür ausreicht, ohne dass die Informationen im wörtlichen Sinne dem Unternehmen „vorliegen“ (§ 9 Abs. 3 LkSG), ist zweifelhaft. Die Frage des Umfangs der gesetzlichen Prüfpflichten ist auch abseits anlassbezogener Ermittlungen wie im Fall Mazur relevant. Denn auch für die jährliche Risikoanalyse sind Feststellungen entlang der Lieferketten, etwa im Fall des Imports aus menschenrechtssensiblen Regionen, erforderlich.

Fazit

Die ersten Fälle im Zusammenhang mit dem neuen LkSG belegen, dass eine wirksame Compliance schon bei der Implementierung, etwa bei der Etablierung des Risiko- und Beschwerdemanagements, Risiken durch Ermittlungen des BAFA mitdenken muss. Dem entspricht es, dass eine erfolgreiche Interessenvertretung im Verwaltungsverfahren auf die genaue Kenntnis der Compliance-Struktur angewiesen ist. Spätestens, wenn mit dem Ende der Übergangsfrist zum neuen Jahr auch mittelständische Unternehmen vermehrt in den behördlichen Fokus rücken, wird es Zeit, die Pflichten des LkSG umzusetzen oder vorhandene Prozesse auf den Prüfstand zu stellen.

Ansprechpartner
Dr. Rainer Frank
Dr. David Albrecht
Fabian Breuer