Wird über Betrug (vulgo Abrechnungsbetrug) im Gesundheitswesen gesprochen, richten sich die Blicke meist auf die Ärzteschaft. Dass auch Physiotherapeutinnen, Logopäden und sonstigen Heilberuflern ein Abrechnungsfehlverhalten vorgeworfen werden kann und gelegentlich wird, ist weniger bekannt. Strafverfahren wegen Betruges nach § 263 StGB treffen immer häufiger auch Podologinnen und Podologen sowie podologisch Tätige. Im Zentrum: die fachliche Leitung der Praxis durch eine dritte Person.

Die Konstellation

Der Fall, den das Landgericht Nürnberg-Fürth im Mai 2023 zur Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens vorliegen hatte (Beschl. v. 03.05.2023 – 12 KLs 114 Js 10235/20), ist durchaus repräsentativ: Die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg legte der Angeschuldigten einen Abrechnungsbetrug in 4.108 Fällen zum Nachteil verschiedener Krankenkassen zur Last. Die Angeschuldigte, die selbst keine Podologin gewesen sei, über keine Ausbildung nach den §§ 3 ff. des Podologengesetzes (PodG) verfügt habe und eine entsprechende Berufsbezeichnung (§ 1 Abs. 1 PodG) nicht habe führen dürfen, habe eine Podologie-Praxis betrieben und Behandlungen gegenüber den Krankenkassen abgerechnet, obwohl diese nicht abrechnungsfähig gewesen seien. Dass die Angeschuldigte keine ausgebildete Podologin war, war bei den Kassen bekannt. Die Zulassungen der Kassen sei deshalb daran geknüpft gewesen, dass eine namentlich genannte Podologin die fachliche Leitung der Praxis innehabe; die Angeschuldigte habe die Berechtigung zur Abrechnung als zugelassene Leistungserbringerin gemäß § 124 Abs. 1 SGB V mithin von einer dritten Person abgeleitet. Denn: Die Zulassungen der Praxis durch den Verband der Ersatzkassen e. V. und durch die Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassenverbände in Bayern sind jeweils mit der Maßgabe erteilt worden, dass sie an die Anstellung und Tätigkeit einer namentlich benannten Podologin als fachliche Leitung gebunden waren. Tatsächlich bestanden aber Zweifel an der fachlichen Leitung durch eben diese dritte Person und demgemäß in Gänze an den Abrechnungen. Hierdurch sei den Kassen ein Schaden von insgesamt 343.390,14 € entstanden.

Warum das ein Betrug sein kann

Einen Betrug nach § 263 Abs. 1 StGB begeht, wer vorsätzlich und in Bereicherungsabsicht über entscheidungserhebliche Tatsachen täuscht und dadurch eine irrtumsbedingte schadensrelevante Vermögensverfügung hervorruft. Gerade bei Abrechnungen von Leistungen im Gesundheitswesen werden viele Tatsachen nicht zwingend ausdrücklich, sondern auch konkludent, durch schlüssiges Handel, mit erklärt. Heißt im konkreten Fall: Wer Leistungen abrechnet, erklärt nach Ansicht der Rechtsprechung immer mit, dass er oder sie die zur Abrechnung notwendigen faktischen Voraussetzungen erfüllt, hier also die fachliche Leitung der Praxis durch eine Podologin im Sinne des PodG vorliegt. Ist das nicht der Fall, liegt ein Abrechnungsbetrug nahe.

Solche Fälle gibt es immer häufiger, oft gar nicht aus bösem Willen: Es gab eine fachliche Leitung, alle Voraussetzungen waren erfüllt, es handelte sich nicht um einen Strohmann oder eine Strohfrau – und dann ändert sich etwas, die fachliche Leitung macht weniger, orientiert sich um, zieht weg, und ganz plötzlich (oder ganz schleichend) sind die Abrechnungsvoraussetzungen nicht mehr gegeben. Die Leistungen: werden trotzdem immer noch lege artis erbracht, aber das schließt einen Betrug nicht aus (Stichwort: streng formale oder sozial-normative Betrachtungsweise). Da ist die Rechtsprechung, die sozialrechtliche wie die strafrechtliche ganz brutal.

Wo sonst noch Gefahren lauern

Ein Abrechnungsfehlverhalten kann im Übrigen nicht nur in solchen Konstellationen lauern: Es kann zu falschen Abrechnungen toter Patienten kommen (auf Grund von Namensverwechslungen oder sonstigen organisatorischen Fehlern), können Leistungen unter einer falschen Ziffer abgerechnet oder nicht den Abrechnungsbestimmungen gemäß delegiert worden sein, können sich sonstige Fehler in die Abrechnungen einschleichen oder die KV oder die Krankenkasse hat schlicht eine andere Rechtsmeinung dazu, was wie genau abzurechnen ist. Kurzum: Fallstricke lauern allerorten, und manchmal können Meinungsverschiedenheiten nicht mehr bilateral mit den Kostenträgern geklärt werden – manchmal erstatten die lieber eine Strafanzeige.

Das kann ich tun, wenn es brenzlig wird

Der beste Weg ist immer der, eine Klärung mit Kasse oder KV herbeizuführen, bevor es zu einem Strafverfahren kommt. Auch dann, wenn die argab, die Arbeitsgruppe gegen Abrechnungsbetrug, sich meldet, ist eine Klärung, dann aber mit anwaltlicher Unterstützung, oft noch möglich. Geht das nicht mehr, ist der schlechteste Rat, es auf eigene Faust zu versuchen und die Strafverfolgungsbehörden, also Polizei oder Staatsanwaltschaft, überzeugen zu wollen. Nicht in jedem Falle hat man es mit Profis zu tun, die die Untiefen des Medizinwirtschaftsstrafrechts beherrschen. Dann braucht es den Verteidiger als „Übersetzer“. Und hat man es mit Profis auf der anderen Seite zu tun, sollte man bestenfalls selbst Augenhöhe herstellen und nicht als juristischer Laie eingreifen. Sobald also ein Anhörungsschreiben als Beschuldigter oder Beschuldigte im Postkasten landet, ist der Weg zum Spezialisten angezeigt. Erst recht gilt das, wenn schon durchsucht wird. Solche Durchsuchungen kann übrigens verhindern, wer selbst darauf kommt, dass er oder sie in der Vergangenheit falsch abgerechnet hat und eigeninitiativ, wiederum über einen Medizinstrafverteidiger, den Weg der Transparenz sucht. Auch hier gilt aber: Man sollte Augenhöhe herstellen, sich beraten lassen, und etwaige Vorwürfe früh wegverteidigen. Verteidigungsansätze gibt es bei Fragen des Abrechnungsbetrugs zuhauf – man muss sie nur kennen.

 

Ansprechpartner
Dr. Sebastian T. Vogel