Durchsuchungen zielen auf die Gewinnung von Informationen durch das Auffinden und die Beschlagnahme sachlicher Beweismittel. Durchsuchungen erfolgen überraschend. Oft bedeuten sie für den Betroffenen die erste Konfrontation mit den Strafverfolgungsorganen. Durchsuchungsmaßnahmen wecken Ängste und das Gefühl, der Staatsgewalt hilflos ausgeliefert zu sein. Durchsuchungen in einem Unternehmen können den Geschäftsbetrieb vorübergehend zum Erliegen bringen, sie bedeuten Unruhe und das Risiko, für den Geschäftsbetrieb wichtige Unterlagen zu verlieren.

Fast immer bringen Durchsuchungsmaßnahmen große Unruhe mit sich. In dieser Unruhe werden aus Unkenntnis der Rechtslage Fehler begangen. Wir wollen deshalb einige Hinweise für richtiges Verhalten bei Durchsuchungen geben:

Hinweise für richtiges Verhalten bei Durchsuchungen

  1. Durchsuchungen sind zulässig aufgrund richterlichen Beschlusses oder - ausnahmsweise - bei Gefahr im Verzug. Der Betroffene soll Einsicht in den Durchsuchungsbeschluss verlangen und ihn sorgfältig lesen. Darin muss bezeichnet sein, weshalb durchsucht wird (Tatvorwurf) und wonach gesucht wird (Beweismittel).
  2. Durchsuchungen wegen Gefahr im Verzuge ohne richterlichen Beschluss sind auf Ausnahmefälle beschränkt. Allgemeine Besichtigungstouren ("Wir wollten uns bei Ihnen einmal umsehen!") sind nicht zulässig. Bei solcher Begründung muss kein Einlass gewährt werden.
  3. Bei Durchsuchungen in einem Unternehmen soll sofort ein verantwortlicher Ansprechpartner bestimmt werden, der zentral die Kommunikation mit den Beamten führt und auf sich konzentriert. Das erleichtert die Koordination für alle Beteiligten. Es beschleunigt den Ablauf. Beschlagnahmungen können auf Wesentliches beschränkt werden. Auskünfte werden den Ermittlungsbeamten ausschließlich durch den benannten Verantwortlichen gegeben.
  4. Es besteht keine Verpflichtung zur Unterstützung der Durchsuchungsbeamten. Den Beamten wiederum kann nicht verboten werden, jede einzelne Schublade herauszuziehen und auszuleeren sowie alle greifbaren Ordner mit Geschäftsunterlagen zu beschlagnahmen. Wir empfehlen deshalb eine zurückhaltende Unterstützung der Ermittlungsbeamten, soweit hierdurch die Maßnahmen zeitlich und vor allem sachlich beschränkt werden können. Eine alte Erfahrung ist: Werden die Beamten unterstützt und ihnen das Gesuchte ausgehändigt, findet die Maßnahme ein rasches Ende. Unterbleibt diese Unterstützung, wird sehr viel mehr beschlagnahmt. Das birgt Risiken, da so genannte Zufallsfunde (das könnte sein die Waffe im Küchenschrank, das ist die Quittung über eine Schmiergeldzahlung, das ist Korrespondenz über eine Kartellabsprache) zum Nachteil des Betroffenen verwertet werden dürfen.
  5. Der Beschlagnahme von Gegenständen kann noch vor Ort widersprochen werden. Üblicherweise führen die Beamten Formulare mit sich, in denen durch Ankreuzen der Beschlagnahme widersprochen werden kann. Werden Gegenstände mitgenommen, die offensichtlich außerhalb der Regelungen des Durchsuchungsbeschlusses liegen und auch keine Zufallsfunde darstellen, soll der Widerspruch erklärt werden (Beispiel: Der Durchsuchungsbeschluss bezieht sich auf Steuerunterlagen eines Geschäftsjahres, die Polizei will kurzerhand die Buchhaltung weiterer Geschäftsjahre mitnehmen). Im Übrigen ist zu bedenken, dass der Widerspruch gegen die Beschlagnahme die Staatsanwaltschaft zur Herbeiführung eines richterlichen Bestätigungsbeschlusses zwingt. Wenn der Erlass eines solchen Beschlusses zu erwarten ist, bedeutet die Erhebung des Widerspruchs gegen die Beschlagnahme lediglich einen Zeitverlust von mehreren Wochen, weil die Akte sich dann im Geschäftsgang befindet. In den meisten Fällen mögen deshalb mehr Argumente gegen einen Widerspruch gegen die Beschlagnahme sprechen.
  6. Es kann auf Versiegelung beschlagnahmter Papiere bestanden werden. Die Papiere müssen dann so in einem geschlossenen Behältnis verpackt und versiegelt werden, dass eine Einsichtnahme durch Dritte zunächst nicht möglich ist.
  7. Die Durchsuchungsbeamten müssen gestatten, dass von solchen Geschäftsunterlagen, die im Geschäftsablauf benötigt werden, Ablichtungen gefertigt werden. Das ergibt sich aus dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die Mitnahme wichtiger Geschäftsunterlagen, ohne Gelegenheit zur Fertigung von Kopien zu geben, wäre unverhältnismäßig.
    An dieser Stelle wird deutlich, dass ein gewisses Maß an Zusammenarbeit mit den Durchsuchungsbeamten zweckmäßig ist. Dann wird regelmäßig noch vor Ort gestattet, dass unter Aufsicht der Polizei Kopien gefertigt werden. Anderenfalls müssen die Kopien in für den Betroffenen aufwändiger Weise demnächst auf der Polizeidienststelle gefertigt werden.
  8. Nicht unterschätzt werden darf die Taktik der Ermittlungsbehörden, anlässlich von Durchsuchungsmaßnahmen weitere Informationen für das Strafverfahren zu erlangen. Typischerweise erfolgen so genannte informelle Befragungen von Anwesenden. Jeder muss wissen, dass Erkenntnisse aus informellen Befragungen sofort in die Ermittlungsakte eingehen und regelmäßig (Ausnahmen sind hier nicht zu erörtern) verwertet werden können. Wir empfehlen dringend, informellen Befragungen aus dem Wege zu gehen und in der Durchsuchungssituation keine Erklärungen zur Sache abzugeben. Notwendige Erklärungen sollen nur die zum Koordinator bestimmte Person abgeben. Wir verweisen in diesem Zusammenhang auf unsere Info-Seite Schweigerechte.

Durchsuchungen sollen den Betroffenen überraschen.

Das gelingt regelmäßig. Es gilt, die nötige Ruhe zu bewahren, um eigene Rechte wahrnehmen zu können. Dann kann es gelingen, dass eine Durchsuchung zügig zu einem Ende kommt, nur das mitgenommen wird, wonach gesucht wurde, von wichtigen Unterlagen Kopien im Unternehmen verbleiben und die Beamten nicht vielerlei weiterführende Informationen aus informellen Befragungen mit zur Dienststelle nehmen.

Bei Durchsuchungen in Unternehmen wird üblicherweise sofort ein Verteidiger hinzugezogen, der die Unternehmensleitung berät, die Mitarbeiter über ihre Rechte aufklärt und die Koordination auf der Unternehmensseite begleitet. Moderne Unternehmen wissen, dass dies notwendig ist. Aus Verteidigersicht gilt: Je früher Einfluss auf Ermittlungsmaßnahmen genommen werden kann, desto größer ist der Handlungsspielraum.

 

Ansprechpartner

Dr. Niklas Auffermann