Wer rechtskräftig verurteilt worden ist, eine traumatische Durchsuchung erlitten hat oder im Nachhinein von einer Telefonüberwachung erfährt, will sich damit zuweilen nicht abfinden – und notfalls den Gang nach Karlsruhe wagen, vor das Bundesverfassungsgericht. Nur im Ausnahmefall ist dieser Weg der richtige. Und er ist steinig.

Wozu die Verfassungsbeschwerde dient – und wozu nicht

Bei Weitem nicht jede letztinstanzliche Entscheidung, nicht jede strafprozessuale Zwangsmaßnahme ist ein Fall für das Bundesverfassungsgericht. „Karlsruhe“ prüft nicht, ob die Entscheidung rechtlich richtig ist, ist keine „Superrevisionsinstanz“, keine Instanz nach dem fachgerichtlichen Instanzenzug. Es geht einzig und allein darum zu prüfen, ob spezifisches Verfassungsrecht verletzt wurde. Das Gleiche gilt für die Landesverfassungsgerichte in den einzelnen Bundesländern.

Das heißt in aller Regel, dass der Rechtsweg erschöpft sein muss, man also alle zur Verfügung stehenden weiteren Möglichkeiten ergriffen hat, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erreichen oder zu verhindern. Ohne die fachgerichtlichen Rechtsbehelfe wie Berufung und Revision, die sofortige Beschwerde oder eine Anhörungsrüge wird das Bundesverfassungsgericht, werden auch die Landesverfassungsgerichte nicht tätig.

Der Anwendungsbereich für eine Verfassungsbeschwerde ich deshalb sehr klein.

Wogegen eine Verfassungsbeschwerde eingelegt werden kann

Verfassungsbeschwerden sind möglich gegen Grundrechtsverletzungen durch die deutsche öffentliche Gewalt, mithin etwa gegen Gesetze, Urteile und Beschlüsse. Nochmals: Es geht spezifisch um die Frage, ob die angegriffene Entscheidung oder das Gesetz Grundrechte verletzt (hat), nicht um eine bloße Richtigkeitskontrolle.

Geht es um den Strafprozess, sind Verfassungsbeschwerden denkbar z. B. gegen Strafurteile, gegen Durchsuchungsanordnungen (besser: die diese Anordnungen bestätigenden Gerichtsentscheidungen), bei Haftentscheidungen oder im Zusammenhang mit der Anordnung einer Blutentnahme. Auch gegen Strafgesetze sind Verfassungsbeschwerden denkbar.

Wie hoch die Erfolgschancen sind

Eine Verfassungsbeschwerde ist an hohe Zulässigkeitsanforderungen gebunden, abhängig auch davon, ob eine Bundes- oder eine Landesverfassungsbeschwerde eingelegt werden soll. Jedes Land kann in Grenzen eigene (z. B. Frist-) Regelungen treffen, ausgeformt durch eine divergierende Rechtsprechungspraxis. Hinzu kommt, dass die Begründetheit einer Verfassungsbeschwerde regelhaft einen hohen Aufwand erfordert.

Im Ergebnis sind weniger als 5 % der (Bundes-) Verfassungsbeschwerden, ist meist nur jede hundertste bis fünfzigste erfolgreich.

Fazit

Wer durch die öffentliche Gewalt in seinen Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten verletzt ist, muss Einiges leisten, um nicht nur Recht zu haben, sondern auch Recht zu bekommen. Am wichtigsten ist dabei eine umfassende Prüfung der Rechtslage im Vorhinein, sollen nicht unnötige Hoffnungen geweckt und befördert werden. Wer planvoll agiert, erhöht aber seine Chancen, nach einigen Hürden ans Ziel zu gelangen.

 

Ansprechpartner

Dr. Sebastian T. Vogel