“Und wenn ich doch verurteilt werde, dann gehe ich eben in die Revision!”

Wir wollen in verständlichen Worten erläutern, was eine Revision eigentlich ist. Wir warnen davor, auf die Revision zu große Hoffnungen zu setzen. Die Revision ist nicht dazu geeignet, das nachzuholen, was zuvor versäumt wurde.

Zulässigkeit der Revision

Die Revision ist zulässig gegen erstinstanzliche Urteile oder Berufungsurteile des Landgerichts. Sie ist ausnahmsweise als Sprungrevision zulässig gegen Urteile des Amtsgerichts, gegen die wahlweise auch eine Berufung möglich ist.
Die Revision ist – wie die Berufung – innerhalb einer Woche nach Urteilsverkündung einzulegen.
Die Revision muss binnen eines Monats nach Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe begründet werden. Die Revisionsbegründung muss von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein oder vom Urkundsbeamten aufgesetzt und unterzeichnet werden.

Keine erneute Tatsacheninstanz

Die Revision ist keine erneute Tatsacheninstanz, sondern eine reine Rechtskontrolle. In der Regel findet vor dem Revisionsgericht keine mündliche Verhandlung statt.
Mit der Revision wird geltend gemacht, das Recht sei verletzt worden. Wir unterscheiden Rügen, die das Verfahren betreffen, und die Rüge, das Recht sei auf den festgestellten Sachverhalt falsch angewendet worden:

Verfahrensrügen

Mit Verfahrensrügen kann geltend gemacht werden, das Gericht der Tatsacheninstanz habe das Prozessrecht falsch angewendet. Einige Beispiele für Verfahrensrügen:

  • die Rüge, ein Beweisantrag, einen Zeugen zu laden und zu hören, sei zu Unrecht abgelehnt worden;
  • die Rüge, ein Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens sei zu Unrecht abgelehnt worden;
  • die Rüge, ein Befangenheitsantrag sei zu Unrecht abgelehnt worden;
  • die Rüge, ein Zeuge sei entgegen dem Antrag des Verteidigers zu Unrecht unvereidigt geblieben;
  • die Rüge, eine Verfahrensverständigung sei nicht protokolliert worden;

  • die Rüge, ein Polizeibeamter sei in der Verhandlung über den Inhalt einer Vernehmung des Angeklagten zu Unrecht vernommen worden, obwohl der Verteidiger widersprochen hatte, weil damals unzulässige Vernehmungsmethoden angewendet wurden.

Die Presse berichtet nicht selten über interessante Fälle, in denen ein Strafsenat des BGH zu Verfahrensfragen Stellung nimmt. Immer liegen dem Verfahrensrügen in einer Revisionsbegründung zugrunde. Einige Beispiele aus den letzten Jahren:

  • Wann führen die seelische und körperliche Erschöpfung eines Beschuldigten dazu, dass er nicht mehr vernommen werden darf?
  • Wann ist ein Verdächtiger noch Zeuge und ab wann ist er aos Beschuldigter (mit Hinweis auf sein Schweigerecht) zu belehren?
  • Ist ein Richter befangen, der während der Verhandlung sein Handy nutzt, um eine private Nachricht zu senden?
  • Ist der Lügendetektor ein zulässiges Beweismittel?
  • Darf über abgehörte Gespräche eines Untersuchungsgefangenen Beweis erhoben werden?
  • Muss die Polizei einem Festgenommenen aktiv helfen, einen Verteidiger zu finden?

Sie merken schon, worauf wir hinweisen möchten? Die Revision wird auf Verfahrensrügen in der Regel nur dann gestützt werden können, wenn Verfahrensfragen in der Tatsacheninstanz ebenfalls Beachtung fanden. Wenn dort keine Beweisanträge oder andere Anträge gestellt wurden, so kann man mit der Revision auch nicht die fehlerhafte Ablehnung der (gar nicht gestellten) Anträge rügen. Wenn Verfahrenshandlungen des Gerichts nicht widersprochen und darüber ein Gerichtsbeschluss herbeigeführt wurde, kann auch kein fehlerhafter Gerichtsbeschluss mit der Revision gerügt werden. Die Rüge, ein Beweis hätte nicht erhoben oder die Bekundung eines Zeugen nicht verwertet werden dürfen, ist nur zulässig, wenn der Verteidiger in der Tatsacheninstanz ausdrücklich und durch das Verhandlungsprotokoll belegt der Verwertung widersprochen hat.

Wer in der Tatsacheninstanz nur still herumsitzt, wird kaum auf Verfahrensfehler des Gerichts hoffen dürfen, die Grundlage einer aussichtsreichen Revision sein könnten.

Sachrüge

Mit der Rüge der Verletzung des materiellen Rechts (allgemeine Sachrüge) wird die Rechtsanwendung auf den festgestellten Sachverhalt als fehlerhaft gerügt. Während Verfahrensrügen einen detaillierten Vortrag in der Revisionsbegründung erfordern, ist das bei der Sachrüge nicht der Fall. Es genügt der Satz: Ich rüge die Verletzung des sachlichen Rechts. Natürlich darf – und sollte – der Verteidiger mehr schreiben; die Zulässigkeit der Sachrüge hängt davon aber nicht ab.

Auf die Sachrüge unterzieht das Revisionsgericht das schriftliche Urteil einer umfassenden Rechtskontrolle. Diese Rechtskontrolle wird allerdings von vielen (dazu gehören durchaus auch Juristen) falsch eingeschätzt.

Grundlage der Prüfung, ob das Recht richtig angewendet wurde, sind die Tatsachenfeststellungen in den Urteilsgründen. Die Tatsachenfeststellungen werden nicht erneut überprüft. Ein bekannter Satz lautet: Die Revision muss von den Urteilsfeststellungen ausgehen und darf nicht gegen sie angehen.

Wenn also im Urteil steht: “Der Angeklagte gab bei Sonnenschein im Wald fünf Schüsse ab”, so steht dieser Sachverhalt für das Revisionsgericht fest. Jeder Vortrag, es habe geregnet oder es sei gar nicht oder nur viermal geschossen worden, wäre ein unzulässiger Angriff gegen Tatsachenfeststellungen.

Man kann also eine Revision nicht auf die Behauptung stützen, tatsächlich habe sich alles ganz anders zugetragen, als es im Urteil steht.

Auch mit der Sachrüge kann man nur Fehler der Rechtsanwendung geltend machen. Einige Beispiele:

  • Ist ein im Urteil festgestellter Sachverhalt als Mord oder nur als Totschlag zu bewerten?
  • Ist eine im Urteil beschriebene Stellung eines Mitarbeiters einer GmbH so, dass er rechtlich als faktischer Geschäftsführer zu behandeln ist?
  • Entspricht die Strafzumessung den Anforderungen des Gesetzes?

Auf die Sachrüge wird durchaus auch geprüft, ob die Beweiswürdigung im Urteil rechtsfehlerfrei ist. Aber auch hier gelten wesentliche Einschränkungen:

  • Auch die rechtliche Überprüfung der Beweiswürdigung geht von den Tatsachen aus, über die das Urteil Mitteilung macht.
  • Schlussfolgerungen des Tatsachengerichts müssen keineswegs zwingend oder auch nur wahrscheinlich sein. Es genügt, dass sie möglich sind.

Fazit

Die Revision ist nicht einfach eine weitere Berufung. Sie ist auf die Rechtskontrolle beschränkt. Man kann dort nicht nachholen, was man zuvor versäumt hat.

Dennoch ist die Revision von allergrößter Bedeutung: für Betroffene im Einzelfall und für die Rechtsfortbildung insgesamt. Wir wollen hier nur davor warnen, die Revision für etwas zu halten, was sie nicht ist und weder sein kann noch darf.

 

Ansprechpartner

Dr. Rainer Frank