Neue EU-Richtlinie stärkt die Bedeutung von Hinweisgebersystemen
Nachdem die EU-Richtlinie zum Whistleblowerschutz am 16. April 2019 bereits das Europäische Parlament passiert hat, ist sie nach Zustimmung des Rates der Europäischen Union nun am 23. Oktober 2019 endgültig verabschiedet worden und noch im Dezember 2019 in Kraft getreten (RL 2019/1937, in deutscher Sprache abrufbar hier).
Mit der neuen Richtlinie sollen Hinweispersonen stärker als bisher geschützt werden. Die Richtlinie sieht unter anderem vor, dass Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten verpflichtet werden sollen, vertrauliche Meldesysteme einzurichten. Auch staatliche Verwaltungsstellen, regionale Verwaltungen und Dienststellen, Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern und sonstige Personen des öffentlichen Rechts sollen in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen.
Für die einzurichtenden Meldekanäle macht der Richtlinientext detaillierte Vorgaben. Wichtigstes Ziel ist es zu gewährleisten, dass Hinweisgeber ihre Identität gegenüber dem Unternehmen nicht aufdecken müssen und somit so weit wie möglich vor Nachteilen geschützt werden.
Die Kommission hatte in ihrem ursprünglichen Entwurf (COM(2018)0218) eine sogenannte Stufenlösung vorgeschlagen, nach der sich Whistleblower zunächst zwingend an interne Meldewege hätten wenden müssen (Art. 13 des Entwurfs). In der nunmehr verabschiedeten Richtlinie ist diese „strenge“ Stufenlösung nicht mehr enthalten.
EU-Richtlinien sind Bestandteil des Sekundärrechts der Europäischen Union. Nach Art. 288 AEUV sind Richtlinien für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet werden, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich. Den innerstaatlichen Stellen bleibt indes die Wahl der Form und der Mittel überlassen. Die Mitgliedstaaten müssen verabschiedete Richtlinien daher zunächst ins nationale Recht umsetzen. Die Umsetzung kann dabei über die Inhalte der Richtlinie hinausgehen.
Mitgliedstaaten der EU haben in der Regel zwei Jahre Zeit, um Richtlinien umzusetzen. Auch für die EU Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern ist eine Umsetzungszeit von zwei Jahren vorgesehen, sodass Deutschland die Richtlinie bis zum 17. Dezember 2021 in nationales Recht umsetzen muss.
Das EU-Parlament hat die EU-Richtlinie nach einer Einigung im sogenannten Trilog-Verfahren zwischen Parlament, Ministerrat und Kommission am 16. April 2019 in erster Lesung verabschiedet (P8_TA-PROV(2019)0366). Nach Zustimmung durch den Rat der Europäischen Union wurde die Richtlinie am 23. Oktober 2019 endgültig verabschiedet und trat 20 Tage nach Veröffentlichung im Amtsblatt der europäischen Union in Kraft (EU RL 2019/1937). Die Mitgliedstaaten haben nun bis zum Dezember 2021 Zeit, um die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.
Die Richtlinie setzt gemeinsame Mindeststandards, die ein hohes Schutzniveau für Personen sicherstellen, die Verstöße melden. Die Mitgliedstaaten können den Schutz auf weitere Bereiche ausdehnen (Art. 2 der Richtlinie). Folgende Verstöße gegen das Unionsrecht sollen umfasst sein: „a) Verstöße, die in den Anwendungsbereich der im Anhang dieser Richtlinie aufgeführten Rechtsakte der Union fallen, und folgende Bereiche betreffen: i) öffentliches Auftragswesen, ii) Finanzdienstleistungen, Finanzprodukte und Finanzmärkte sowie Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, iii) Produktsicherheit und -konformität, iv) Verkehrssicherheit, v) Umweltschutz, vi) Strahlenschutz und kerntechnische Sicherheit, vii) Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit, Tiergesundheit und Tierschutz, viii) öffentliche Gesundheit, ix) Verbraucherschutz, x) Schutz der Privatsphäre und personenbezogener Daten sowie Sicherheit von Netz- und Informationssystemen; b) Verstöße gegen die finanziellen Interessen der Union im Sinne von Artikel 325 AEUV sowie gemäß den genaueren Definitionen in einschlägigen Unionsmaßnahmen; c) Verstöße gegen die Binnenmarktvorschriften im Sinne von Artikel 26 Absatz 2 AEUV, einschließlich Verstöße gegen Vorschriften über Wettbewerb und staatliche Beihilfen, und gegen die Körperschaftsteuer-Vorschriften und -Regelungen gerichtete Verstöße, die darauf abzielen, sich einen steuerlichen Vorteil zu verschaffen, der dem Ziel oder dem Zweck des geltenden Körperschaftsteuerrechts zuwiderläuft.“
Interne Meldewege sind Meldungen innerhalb des Unternehmens oder der Organisation. Dazu zählt auch die von dem Unternehmen oder der Organisation bestellte anwaltliche Ombudsperson. Der Begriff des externen Meldeweges beschreibt die Weitergabe von Informationen an Behörden. Also etwa die Polizei, die Staatsanwaltschaft oder bestimmte öffentliche Aufsichtsbehörden.
Unter Offenlegung im Sinne der Richtlinie ist das Zugänglichmachen von Informationen an die Öffentlichkeit, also etwa die Presse zu verstehen (Art. 5 Nr. 6 der Richtlinie). An eine Offenlegung werden nach Art. 15 des aktuellen Entwurfs erhöhte Anforderungen geknüpft. Ein Anspruch auf Schutz des Hinweisgebers besteht nur, wenn bestimme Voraussetzungen vorliegen. So etwa, wenn auf die internen Hinweise keine Reaktion erfolgt ist oder eine unmittelbare Gefahr für die Öffentlichkeit oder Vergeltungsmaßnahmen gegen die Hinweisgeber drohen.
Die EU Kommission hatte in ihrem ursprünglichen Richtlinien-Vorschlag aus April 2018 (COM(2018)0218) eine sogenannte Stufenlösung vorgesehen. Danach hätten Hinweispersonen grundsätzlich zunächst interne Meldewege beschreiten müssen (Vorrangregelung für internes Whistleblowing). Diese Stufenlösung hat sich in der verabschiedeten Richtlinie nicht durchgesetzt. Zwar sollen interne Berichtswege gefördert werden. Gleichranging daneben steht jedoch die Möglichkeit, sich an externe Stellen, wie etwa Behörden, zu wenden. Lediglich der Weg an die Öffentlichkeit ist mit höheren Anforderungen verbunden. Nach Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie setzen sich die Mitgliedstaaten dafür ein, „dass die Nutzung interner Kanäle der externen Meldung in den Fällen bevorzugt wird, in denen intern wirksam gegen den Verstoß vorgegangen werden kann und der Hinweisgeber keine Repressalien befürchtet.“ Es kann daher davon ausgegangen werden, dass interne Meldewege in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen.
Nach Art. 8 der nun verabschiedeten Richtlinie müssen „juristische Personen des privaten Sektors“ mit „50 oder mehr Beschäftigten“ interne Meldekanäle einrichten. Für juristische Personen des öffentlichen Rechtes soll eine grundsätzliche Verpflichtung gelten; die Mitgliedstaaten können Ausnahmen von der Verpflichtung für „Gemeinden mit weniger als 10 000 Einwohnern oder weniger als 50 Beschäftigten oder sonstige juristische Personen mit weniger als 50 Beschäftigten“ vorsehen.
Externe Meldekanäle für Hinweise, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen, müssen Hinweisgebern zukünftig zur Verfügung stehen. Diese müssen unabhängig und autonom sein (Art. 10 und 12 der Richtlinie). Die Mitgliedstaaten müssen nach Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie sicherstellen, dass die zuständigen Behörden, „unabhängige und autonome externe Meldekanäle für die Entgegennahme und Bearbeitung von Informationen über Verstöße einrichten“; „den Eingang der Meldungen innerhalb von sieben Tagen [...] bestätigen, sofern der Hinweisgeber sich nicht ausdrücklich dagegen ausgesprochen oder die zuständige Behörde Grund zu der Annahme hat, dass die Bestätigung des Eingangs der Meldung den Schutz der Identität des Hinweisgebers beeinträchtigen würde“; „ordnungsgemäße Folgemaßnahmen zu den Meldungen ergreifen“; „Hinweisgebern binnen eines angemessenen Zeitrahmens von maximal drei Monaten, bzw. sechs Monaten in hinreichend begründeten Fällen, Rückmeldung über die zu ihren Meldungen ergriffenen Folgemaßnahmen erstatten". Die zuständigen Behörden teilen dem Hinweisgeber das abschließende Ergebnis der Untersuchungen nach den im einzelstaatlichen Recht vorgesehenen Verfahren mit (Art. 11 Abs. 2 e) der Richtlinie); und leiten „die in der Meldung enthaltenen Informationen rechtzeitig an die jeweils zuständigen Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union zur weiteren Untersuchung weiter, sofern diese Möglichkeit nach dem Unionsrecht besteht“ (Art. 11 Abs. 2 f) der Richtlinie).