Zum 1. Juli 2017 war die Neuregelung der Vorschriften zur Einziehung der aus Straftaten erlangten Vermögenswerte (§ 73 ff. StGB) in Kraft getreten. Diese sehen die Möglichkeit vor, in einem selbständigen Einziehungsverfahren auch dann aus Straftaten erlangte Vermögenswerte einzuziehen, wenn die Verfolgung der Straftat an sich wegen Verfolgungsverjährung ausgeschlossen ist. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 10. Februar 2021 (Aktenzeichen 2 BvL 8/1)entschieden, dass die in Artikel 316h EGStGB angeordnete Rückwirkung der Einziehungsvorschriften auch dann verfassungskonform ist, wenn hinsichtlich der zugrundeliegenden Straftat bereits vor dem 1. Juli 2017 Verfolgungsverjährung eingetreten war.

Überblick über die gesetzlichen Regelungen

Hat der Täter durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, hat das Gericht nach § 73 StGB zwingend die Einziehung des Erlangten anzuordnen. Ist die Einziehung des ursprünglich Erlangten nicht (mehr) möglich, ordnet das Gericht nach § 73c StGB die Einziehung von Wertersatz an.

Unter den in § 73 b StGB bestimmten Voraussetzungen richtet sich die Einziehung auch gegen Dritte. Für Unternehmen besonders bedeutsam ist die Vorschrift des § 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB, wonach sich die Einziehung gegen einen Dritten richtet, wenn der Dritte durch die Tat etwas erlangt hat und der Täter für den Dritten gehandelt hat. Dies ist der Fall, wenn ein Geschäftsführer oder sonstiger Mitarbeiter eines Unternehmens eine Straftat begeht, durch die das Unternehmen einen Vorteil erlangt, z. B. wenn durch die Zahlung von Schmiergeld an einen Geschäftspartner ein Auftrag erlangt wird.

Nach § 76a Abs. 1 und 2 StGB i. V. m. § 78 Abs. 1 Satz 2 StGB ist ein selbständiges Einziehungsverfahren – auch gegen Dritte – selbst dann möglich, wenn die Verfolgung der Straftat gegen den Täter wegen Verjährung ausgeschlossen ist. Die selbständige Einziehung gemäß § 76a StGB verjährt nach § 76b StGB erst in dreißig Jahren.

Artikel 316h Satz 1 EGStGB ordnet an, dass die Einziehungsvorschriften in der seit dem 1. Juli 2017 gültigen Fassung auch anzuwenden sind, wenn über die Einziehung wegen einer Tat entschieden wird, die vor dem 1. Juli 2017 begangen wurde.

Die Vorlage des Bundesgerichtshofes

In einem Revisionsverfahren gegen ein Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 17. Oktober 2017 hatte der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob Art. 316h EGStGB mit dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG und den in den Grundrechten verankerten Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes unvereinbar ist, soweit Artikel 316h EGStGB die Anwendbarkeit des selbständigen Einziehungsverfahrens gemäß § 76a Abs. 2 StGB und die dreißigjährige Verjährungsfrist für die Einziehung gemäß § 76b StGB auch auf Fälle für anwendbar erklärt, in denen bereits vor Inkrafttreten der neuen Einziehungsregeln eine Verfolgungsverjährung der Straftat eingetreten war. Dem lag folgender Fall zugrunde:

Nach den Feststellungen des Landgerichts Oldenburg beschäftigte eines der nebenbeteiligten Unternehmen auf Vermittlung des anderen im Tatzeitraum vom 25. Februar 2008 bis zum 31. Juli 2010 insgesamt 933 bulgarische Arbeiter, die mehr als 830.000 Arbeitsstunden leisteten. Die dafür erforderlichen Genehmigungen der Bundesagentur für Arbeit waren nicht beantragt und die Beschäftigungsverhältnisse durch die Angeklagten mittels Scheinwerkverträgen verschleiert worden.

Die Angeklagten wurden vom Vorwurf der Beschäftigung von Ausländern ohne Genehmigung in größerem Umfang nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 SchwarzArbG (bzw. der Beihilfe hierzu) freigesprochen, da die Angeklagten die entsprechenden Taten zwar verwirklicht hätten, allerdings ab dem 31. Juli 2016 Verfolgungsverjährung eingetreten sei.

Das Landgericht ordnete gleichwohl gegen die beiden nebenbeteiligten Unternehmen die Einziehung des Wertes von Taterträgen, nämlich in Höhe der geleisteten Arbeitsstunden von mehr als 10,5 Mio. Euro und in Höhe des Erlöses aus den Vermittlungsleistungen in Höhe von 72.000 Euro, an.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

In seinem Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die Rückwirkungsregel des Art. 316h EGStGB nicht gegen das Grundgesetz verstoße.

Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG („Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.“) scheide aus, weil es sich bei der Einziehung nicht um eine Strafe handele. Die Vermögensabschöpfung sei keine dem Schuldgrundsatz unterliegende Nebenstrafe, sondern eine Maßnahme eigener Art mit kondiktionsähnlichem Charakter. Ziel der Einziehung sei nicht die Zufügung eines Übels, sondern die Beseitigung eines (Vermögens-) Vorteils, dessen Verbleib den Täter zu weiteren Taten hätte verlocken können.

Auch ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG liege nicht vor. Zwar stelle die selbständige Einziehung von Taterträgen aus verjährten Erwerbstaten eine Rückbewirkung von Rechtsfolgen und damit eine grundsätzlich verfassungsrechtlich unzulässige echte Rückwirkung dar. Es sei jedoch anerkannt, dass der Vertrauensschutz zurücktreten müsse, wenn überragende Belange des Gemeinwohls, die dem Prinzip der Rechtssicherheit vorgingen, eine rückwirkende Beseitigung erforderten.

Der Gesetzgeber habe das legitime Ziel verfolgt, auch für verjährte Taten vermögensordnend zugunsten des Geschädigten einer Straftat einzugreifen und dem Täter den Ertrag seiner Taten – auch im Falle fehlender Strafverfolgung – nicht dauerhaft zu belassen. Durch dieses überragend wichtige Ziel solle sowohl dem Straftäter als auch der Rechtsgemeinschaft vor Augen geführt werden, dass eine strafrechtswidrige Vermögensmehrung von der Rechtsordnung nicht anerkannt werde und deshalb keinen Bestand haben könne. Demgegenüber stehe die Vertrauensschutzposition der von der Einziehung von Taterträgen Betroffenen zurück. Die Bewertung eines bestimmten Verhaltens als Straftat stelle ein sozial-ethisches Unwerturteil über die pönalisierte Handlung dar. Daraus folge, dass dem Täter auch in vermögensrechtlicher Sicht der Schutz der staatlichen Rechtsordnung vorenthalten werde. Diese grundsätzliche gesetzgeberische Bewertung ändere sich durch den Eintritt der Verfolgungsverjährung hinsichtlich der Straftat nicht. Das deliktisch erworbene Vermögen bleibe weiterhin mit dem Makel deliktischer Herkunft behaftet. Das Vertrauen in den Fortbestand unredlich erworbener Rechte sei grundsätzlich nicht schutzwürdig ist.

Auch der Drittbereicherte sei nicht schutzwürdig, soweit er nicht gutgläubig eigene Dispositionen im Vertrauen auf die Beständigkeit seines Vermögenserwerbs getroffen habe. Das Vertrauen von Personen, die deliktisch erlangte Vermögenswerte in kollusivem Zusammenwirken mit dem Straftäter, als dessen Rechtsnachfolger, als von ihm Vertretene oder sonst ohne eigene schutzwürdige Vertrauensbetätigung erworben hätten, sei nicht stärker zu schützen als das des Straftäters selbst.

Fazit

Der in der Praxis und in der Literatur vielfach vertretenen Ansicht, dass es sich bei der Einziehung um eine Strafe handele, hat das Bundesverfassungsgericht eine klare Absage erteilt.

Nach der Klarstellung durch das Bundesverfassungsgericht ist zu erwarten, dass die Strafverfolgungsbehörden in Zukunft in Altfällen, in denen noch keine Entscheidung über eine Einziehung getroffen wurde, vermehrt selbständige Einziehungsverfahren gegen Unternehmen durchführen werden, zumindest dann wenn es sich um wirtschaftlich gesunde Unternehmen handelt, bei denen davon auszugehen ist, dass eingezogene Beträge auch tatsächlich realisiert werden können. Wegen der dreißigjährigen Verjährungsfrist kommt auf Unternehmen, die in der Vergangenheit durch eine Straftat eines Mitarbeiters Vermögensvorteile erlangt haben, eine nicht unerhebliche Zeit der Ungewissheit zu.