Arbeitsstrafrecht – Definition Arbeitnehmer in § 611 a BGB
Arbeitnehmerbegriff – Gesetzesentwurf zur Änderung des AÜG und BGB
Das Bundeskabinett hat am 01.06.2016 den vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales im November 2015 vorgelegten Gesetzesentwurf zur Änderung des Rechts der Arbeitnehmerüberlassung in geänderter Fassung verabschiedet.
Der überarbeitete Entwurf enthält neben Abweichungsmöglichkeiten von der Höchstverleihdauer und Ausnahmen bei der Geltung des Equal-Pay-Grundsatzes eine neue Definition des Begriffs des Arbeitnehmers. Diese ist von großer Bedeutung für den Straftatbestand der Veruntreuung von Arbeitsentgelt gem. § 266 a StGB und andere straf- und owi-bewehrte Vorschriften des AÜG, AEntG, MindestLG, SchwarzArbG.
Die neue Legaldefinition in § 611 a BGB lautet:
„Arbeitnehmer ist, wer auf Grund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienst eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann; der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Für die Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an.“
Diese Definition entspricht (wörtlich) der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Ob diese Regelung damit lediglich eine Klarstellung der bisherigen Rechtslage ist, oder ob sich aus ihr neue Entwicklungen werden ableiten lassen, bleibt abzuwarten.
In der Gesetzesbegründung heißt es auszugsweise:
„Damit (mit der neuen Definition; LH) sollen missbräuchliche Gestaltungen des Fremdpersonaleinsatzes durch vermeintlich selbstständige Tätigkeiten verhindert und die Rechtssicherheit der Verträge erhöht werden. Dazu legt die Vorschrift des § 611a BGB unter wörtlicher Wiedergabe der Leitsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung fest, wer Arbeitnehmer ist.“
Der Regierungsentwurf wird jetzt dem Bundesrat zugeleitet. Änderungen sind nicht mehr zu erwarten. Das Gesetz soll zum 1. Januar 2017 in Kraft treten, wobei sich dieses Datum noch um einige Monate nach hinten verschieben könnte.
Bedeutung der gesetzlichen Regelung des Arbeitnehmerbegriffes
Die Bindungswirkung eines Gesetzes ist ungleich höher als die von Richterrecht, vor allem aber kommt dem Handeln des Gesetzgebers eine Publizitätswirkung zu. Für alle Betroffenen soll mit einem Blick ins Gesetz klar sein, wo die Gestaltungsfreiheit von Vertragspartnern endet und auch bei anderer Bezeichnung (etwa als Werkvertrag) ein Arbeitsverhältnis vorliegt.
Wenn ein Arbeitsverhältnis zu einem Arbeitnehmer vorliegt, dann bestehen
- Sozialversicherungspflicht mit dem Strafbarkeitsrisiko nach § 266 a StGB,
- Lohnsteuerpflicht mit dem Strafbarkeitsrisiko aus § 370 AO
- sowie die spezialgesetzlichen Anforderungen aus dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG), Mindestlohngesetz (MindLG), Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG), Schwarzarbeitsgesetz (SchwarzArbG) mit strafrechtlichen, ordnungswidrigkeitenrechtlichen und erheblichen Regressrisiken.
Vorsicht ist geboten! In der Praxis der wirtschaftsstrafrechtlichen Anwaltskanzlei nehmen die Fälle aus diesem Bereich des Arbeitsstrafrechts in der letzten Zeit deutlich zu!
notiert von Frank, v. Holtzendorff
07/2016