§ 299 StGB a. F. schützte nach überkommender Auffassung in erster Linie den Wettbewerb und nur nachrangig – wenn überhaupt – das Vermögen des Geschäftsherren des bestechlichen Angestellten. Deshalb taugte das Einverständnis des Geschäftsherren, sein Angestellter dürfe Vorteile entgegennehmen und im Gegenzug einen Anbieter unlauter im Wettbewerb bevorzugen, nicht zur Rechtfertigung der Tat.
Nunmehr hat der Gesetzgeber § 299 StGB um das Geschäftsherrenmodell ergänzt. Die Gesetzesänderung zielt auf Harmonisierung des deutschen Strafrechts mit dem anderer europäischer Rechtsordnungen, deren Korruptionsstrafrecht nicht den Wettbewerb, sondern Vermögen und Entscheidungsbefugnisse des Geschäftsherren schützt. Außerdem sollen – angebliche – Strafbarkeitslücken geschlossen werden.
Nach § 299 Abs. 1 Nr. 2 StGB n. F. wird bestraft, wer im geschäftlichen Verkehr als Angestellter oder Beauftragter eines Unternehmens ohne Einwilligung des Unternehmens einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen eine Handlung vornehme oder unterlasse und dadurch seine Pflichten gegenüber dem Unternehmen verletze. In § 299 Abs. 2 Nr. 2 StGB wird spiegelbildlich die aktive Bestechung unter Strafe gestellt.
In der Begründung des BMJ-Referentenentwurfs war zu lesen: Die alte Fassung habe nicht die strafbedürftigen Fälle der mit Schmiergeldzahlungen erkauften Verletzung von Pflichten durch Angestellte und Beauftragte außerhalb Wettbewerbslagen erfasst. Durch die Änderung werde der Schutz der Interessen des Geschäftsherren an der loyalen und unbeeinflussten Erfüllung der Pflichten durch seine Angestellten und Beauftragten im Bereich des Austausches von Waren und Dienstleistungen erweitert.
Es geht um Pflichten, die dem Angestellten oder Beauftragten gegenüber dem Inhaber des Betriebes obliegen. Diese Pflichten können sich aus Gesetz oder Vertrag ergeben.
Die Pflichtverletzung als Leistung oder Gegenleistung der Unrechtsvereinbarung muss sich auf den Bezug von Waren und Dienstleistungen im geschäftlichen Verkehr beziehen.
Die Beschränkung auf den geschäftlichen Verkehr bedeutet, dass der Endverbraucher nicht aktiver Täter einer Bestechung im Sinne des § 299 StGB sein kann. Das war bislang nicht anders. Der Kaufmann, der besticht, um einen Gewerbemietvertrag zu erlangen, macht sich strafbar, während der Wohnmietinteressent bei gleichem Handeln straflos bleibt.
Klar ist, dass die bloße Annahme des Vorteils unter Verstoß gegen interne Regelungen noch nicht zur Tatbestandserfüllung reicht.
Eindeutig erfasst ist jetzt das Schmieren während der Vertragsabwicklung, etwa damit Gewährleistungsansprüche nicht geltend gemacht werden. Teilweise wurde das schon unter die Regelungen der alten Fassung summiert, aber es bedurfte schon einiger juristischer Anstrengung, um Korruption während der Vertragsabwicklung als unlautere Bevorzugung im Wettbewerb zu begreifen.
Wir meinen, das Geschäftsherrenmodell des § 299 Abs. 2 Nr. 2 StGB wird Relevanz erlangen, wo es um das Erkaufen sonstiger Pflichtverletzungen bei der Auftragsdurchführung geht, insbesondere aus den Bereichen Arbeitsschutzrecht, Umweltrecht, MindestlohnG und ArbeitnehmerentsendeG.
Der Auftragnehmer schickt Arbeiter ohne Helm und Sicherheitsschuhe auf die Baustelle. Der Bauleiter des Auftraggebers müsste einschreiten. Er erhält einen Briefumschlag dafür, dass er wegschaut.
Der Fall lässt sich abwandeln: Der Subunternehmer setzt Arbeitnehmer unter Verstoß gegen Vorschriften des ArbeitnehmerentsendeG oder des MindestlohnG ein. Der Bauleiter des Auftraggebers erkennt das. Er wird geschmiert, um wegzusehen.
Der Lieferant hat Waren im Sicherheitsbereich eines Airports auszuliefern. Zeit ist Geld. Um die aufwendigen Sicherheitskontrollen abzukürzen, wird ein Mitarbeiter des Auftraggebers geschmiert, damit er ein abseitiges Tor öffnet.
Nicht abschließend geklärt ist, ob folgender Fall durch die Neuregelung strafrechtlich erfasst wird: Verknüpfung eines Geschäftsabschlusses mit der Forderung nach Abschluss eines Sponsoring‑Vertrages zugunsten eines Dritten (einen solchen Fall hat das Landgericht Stuttgart 2014 nach § 153a StPO eingestellt).
Das Fordern von Vorteilen für den eigenen Geschäftsherren des Angestellten im Rahmen arbeitsvertraglicher Pflichten ist nach herrschender Meinung von § 299 StGB nicht erfasst, da der eigene Geschäftsherr nicht Dritter sei (was übrigens bei § 331 StGB anders beurteilt wird). Insoweit tritt keine Änderung ein.
Nicht erfasst werden korruptive Zuwendungen, die außerhalb von Bezugsvorgängen auf eine Pflichtverletzung des Empfängers abzielen, z. B. auf Geheimnisverrat oder Sabotageakte (siehe hierzu Walther, NZWiSt 2015, 255, 257).
Weiterhin nicht erfasst sind die Bestechung der Presse und die Bestechung durch Endverbraucher.
notiert von Frank
06/2016