§ 263 StGB: BGH Urteil vom 27.06 2012 – 2 StR 79/12

Nicht allein ausschlaggebend für einen Betrugsvorwurf ist es, dass die gelieferte Ware von geringerem Wert ist als die vertraglich vereinbarte. Wird bei einem Kaufvertragsabschluss über Umstände getäuscht, die den Verkehrswert der Sache maßgeblich mitbestimmen, kann ein betrugsrelevanter Schaden des Käufers nur dann angenommen werden, wenn die Sache objektiv nicht den vereinbarten Preis wert ist. Selbst wenn der Verkäufer darüber getäuscht hat, die Kaufsache besitze eine zugesicherte Eigenschaft, führt dies nicht zwangsläufig zu einer Schädigung des Käufers. Vielmehr ist zu bewerten, ob die Sache trotz Fehlens der zugesicherten Eigenschaft den vereinbarten Preis immer noch wert ist.

Der Fall

Bei dem Internetauktionshaus Ebay wurden durch den Angeklagten Reifen und Felgen mit der Zusicherung angeboten, es handele sich um hochwertige Originalfelgen der Sportwagenmarke Porsche. In Wahrheit handelte es sich jedoch um Plagiatsfelgen, die mit dem Porsche-Emblem versehen worden und von dem Angeklagten für durchschnittlich 800,00 EUR pro Felgensatz im Ausland eingekauft worden waren. Folgerichtig hatten die Felgen keine Freigabe des Kraftfahrtbundesamtes. Das erkennende Landgericht ist von einem Schaden von 1.000,00 EUR je verkauftem Felgensatz ausgegangen. Zwar seien die Felgen für die Käufer nicht wertlos gewesen; jedoch ergebe sich der Schaden daraus, dass ihr Wert gegenüber den teuren Originalfelgen nur einen Minderwert von nicht mehr als 500,00 EUR gehabt hätte. Das Landgericht sah einen Schaden auch darin, dass die fälschlicherweise als Originale verkauften Felgen erst nach behördlicher Zulassung im Straßenverkehr genutzt werden durften. Um eine entsprechende Zulassung zu erhalten, hätten die Käufer aber mindestens 500,00 EUR je Felgensatz aufwenden müssen. Das Landgericht hat den Angeklagten deswegen wegen Betruges verurteilt. Gegen das Urteil wurde Revision eingelegt.

Der BGH hat geurteilt, dass das Landgericht bezüglich des Vermögensschadens im Sinne von § 263 StGB einen unzutreffenden rechtlichen Maßstab angelegt hat. Nicht richtig sei es gewesen, den Minderwert der Plagiatsfelgen gegenüber den Originalfelgen von Porsche anzusetzen. In diesem Zusammenhang verweist der BGH auf das Grundprinzip der so genannten Gesamtsaldierung bei Feststellung eines Vermögensschadens. Nach diesen hergebrachten Grundsätzen tritt ein Vermögensschaden dann ein, wenn die Vermögensverfügung des Getäuschten (etwa die Bezahlung des Kaufpreises) unter einem wirtschaftlichen Blickwinkel unmittelbar zu einer nicht kompensierten Minderung des wirtschaftlichen Gesamtwerts seines Vermögens führt. Demnach kann es nicht allein darauf ankommen, dass eine gelieferte Sache tatsächlich von niedrigerem Wert ist als das, was vertraglich vereinbart war. Anders herum: Täuscht der Verkäufer über Umstände, die für den Verkehrswert einer Sache relevant sind, erleidet der getäuschte Kunde einen Schaden nur dann, wenn die Sache objektiv den vereinbarten Preis nicht wert ist. Der BGH hat somit klargestellt, dass die Feststellung einer Täuschung über zugesicherte Eigenschaften noch nicht zwangsläufig zu einem Vermögensschaden des Käufers führt; stattdessen haben die Gerichte stets zu überprüfen, ob die Kaufsache auch ohne Fehlen der zugesicherten Eigenschaft, über die getäuscht worden ist, den vereinbarten Preis tatsächlich wert ist.

Diesen rechtlichen Maßgaben ist das Landgericht nicht nachgekommen, da schon eine Feststellung des objektiven Wertes der Plagiatsfelgen nicht erfolgt ist. Nicht beanstandet hat der BGH allerdings die Zugrundelegung der Zusatzkosten für die behördliche Zulassung für den Schadensumfang, da die gelieferte Sache für den vertraglich vorausgesetzten Zweck auch verwendet werden können muss. Ein Vermögensschaden kann sich aus diesen Folgekosten nur insoweit ergeben, als der Wert der gelieferten Plagiatsfelgen nicht höher lag als das dafür bezahlte Entgelt.

Fazit und Praxishinweis

Dass sich der BGH mit dem vorliegenden Fall beschäftigen musste, zeigt erstens, dass sich die Annahme eines Vermögensschadens im Sinne des § 263 StGB durchaus diffizil gestalten kann, und zweitens dem tatbestandlichen Grundprinzip der Gesamtsaldierung bei Feststellung eines Vermögensschadens durch die Fachgerichte nicht immer ausreichend Rechnung getragen wird. Dies kann für Betroffene zu einem erhöhten Strafverfolgungsrisiko führen, wenn Strafverfolgungsbehörden oder Gerichte rechtlich nicht zutreffende Vorwürfe eines Vermögensschadens erheben. Vor diesem Hintergrund ist die vorliegende Entscheidung des BGH zu begrüßen, da sie nochmals an das Prinzip der Gesamtsaldierung erinnert, eine Strafbarkeit nach § 263 StGB also nur dann vorliegt, wenn das Vermögen des Getäuschten vor und nach seiner Vermögensverfügung tatsächlich festgestellt wird und nach der Verfügung ein negativer Vermögenssaldo verbleibt.

Dies führt zu der Empfehlung an Betroffene, die sich mit Betrugsvorwürfen konfrontiert sehen, versierte Hilfe eines strafrechtlichen Beraters frühzeitig in Anspruch zu nehmen. Dieser wird in geeigneten Fällen dafür Sorge tragen, dass eine entsprechende Wertermittlung des Vermögens vor und nach der Vermögensverfügung veranlasst wird. Hierfür wird er häufig auf die Hilfe von Sachverständigen oder Gutachtern zurückgreifen. Damit können in geeigneten Fällen vorschnelle Behauptungen einer angeblichen Schadensverursachung widerlegt werden. Ohne rechtsanwaltliche Hilfe wird dem Betroffenen dies im Regelfall aber nicht gelingen.