Wer politisch Verantwortung übernimmt, bewegt sich auf gefährlichem Terrain. Stichworte wie Immunität und Indemnität helfen praktisch wenig bis gar nichts, wenn es um Vorwürfe der Bestechlichkeit, der Untreue oder der fahrlässigen Tötung geht – zumal auch immer öfter Entscheidungsträger auf kommunaler Ebene wie Bürgermeister, Landräte oder Dezernenten im Fokus der Strafverfolgungsbehörden stehen. Weil neben dem Strafrecht nicht zuletzt die öffentliche Meinung und medialer Druck zu bedenken sind, bedarf es frühzeitig einer Verteidigungsstrategie, die die Komplexität der Lage und die verschiedenen Interessen in den Blick nimmt – und die mit emotional aufgeladenen Verfahren umzugehen weiß.

Tatsächliche wie rechtliche Gefahrenlagen

Es beginnt damit, dass Politikerinnen und Politiker im engeren wie im weiteren Sinne, Entscheidungsträger und -trägerinnen in politischem Kontext generell sowie in der öffentlichen Verwaltung, allesamt nur Menschen sind, die Fehler begehen: die zu schnell fahren und einen Unfall bauen, unter Alkoholeinfluss ein Fahrzeug führen, nicht jede Publikation korrekt versteuern, die angezeigt werden von Nachbarn, Ex-Partnerinnen und Ex-Partnern, politischen Konkurrenten, Querulanten. Überall dort drohen nicht nur Rufschäden, Shitstorms, mediale Vorverurteilungen, sondern eben auch strafrechtliche („echte“) Verurteilungen.

Hinzu kommen die Konstellationen, die mit dem Kernbereich der eigenen politischen und öffentlichen Verwaltungstätigkeit zusammenhängen. Gegen einen Landrat wird wegen fahrlässiger Tötung (§ 222 StGB) und Körperverletzung ermittelt (§ 229 StGB), weil er Flutwarnungen nicht rechtzeitig nachgekommen sei und die Bevölkerung nicht rechtzeitig evakuiert habe. Andernorts wird wegen Baugefährdung nach § 319 StGB ermittelt, weil eine Kiesgrube havariert sei. Ein Bürgermeister wird wegen fahrlässiger Tötung verurteilt, weil er seine Verkehrssicherungspflicht bei einem Löschteich verletzt habe – und drei Kinder den Tod darin fanden. Ein kommunaler Dezernent führt eine neue Software ein – und zieht Ermittlungen wegen Untreue gemäß § 266 StGB auf sich. Ein Bürgermeister muss sich Fragen der Presse gefallen lassen wegen Auftragsvergaben an das frühere eigene Unternehmen – und bald auch Fragen der Strafverfolgungsbehörden wegen Bestechlichkeit oder Vorteilsannahme (§ 332 StGB bzw. § 331 StGB).

Diese Fälle sind oder waren real. Es gibt sie mannigfach, in vielfachen Konstellationen, und noch mehr Konstellationen sind denkbar: bei Fehlkonstruktionen, die Menschen verletzen; bei fehlenden Reparaturen an Brücken, die einstürzen; bei unzureichenden Maßnahmen bei Volksfesten und Massenveranstaltungen, die aus dem Ruder laufen; bei der (vermeintlichen) Verschwendung von Steuergeldern; bei fehlerhaften Ausschreibungen (§ 298 StGB); bei unzureichendem Hochwasserschutz, Lawinenschutz, Schutz vor Cyberangriffen; bei der Bestellung vermeintlich zu teurer medizinischer Masken etc.

Verfahrenspsychologische Gefahren

Diese Konstellationen haben vieles gemeinsam: Hinterher wissen es alle besser; sie sind medienwirksam; sie sind emotional stark besetzt; es muss einen Schuldigen oder eine Schuldige geben. Wiewohl das Recht eindeutig sein sollte, die Strafverfolgungsbehörden und die Gerichte rational entscheiden müssten, ist die Verfahrensrealität eine andere. Im Nachhinein, ex post, in dem Wissen um den katastrophalen Ausgang, werden strengere, zu strenge,  Maßstäbe angelegt, als es eigentlich sein sollte. Meinungen über das Geschehen, über Kausalitäten und Verantwortlichkeiten bilden sich (zu) früh, was die Ermittlungen verfälscht. Nicht zuletzt triggern Emotionen die juristische Einschätzung, trüben Einzelschicksale die rationale Anwendung des Rechts. Und: Es entstehen Situationen, in denen eine Anklage und eine Verurteilung der einzige gesichtswahrende Ausweg scheinen, obwohl eine Einstellung (und sei es gegen eine Geldauflage) eigentlich verhältnismäßiger oder einzig richtig wäre. Auch Polizistinnen, Staatsanwälte, Gutachter  und Richterinnen sind nur Menschen, die Fehler begehen und subjektiv entscheiden können.

Eine komplette Verteidigung

Wer in dieser Komplexität nicht zum Objekt des Verfahrens (und der Medien und der gesellschaftlichen Dynamiken) werden will, braucht einen ganzheitlichen Ansatz in der Verteidigung. Es bedarf mehr als materiell-rechtlicher und strafprozessrechtlicher Kenntnisse – es gilt, die Verfahrenspsychologie zu erkennen und zu „spielen“, eine Strategie im Umgang mit der Öffentlichkeit zu erarbeiten (Stichwort Litigation-PR) und mit den Strafverfolgungsbehörden zusammen, seltener auch gegen deren (ersten) Willen Lösungsvorschläge zu unterbreiten.

Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker, Entscheidungsträger in Verwaltung und Politik, die sonst gewohnt sind zu agieren, kommen in einem Strafverfahren in Situationen, auf die sie nur reagieren können oder in denen die üblichen Herangehensweisen nicht funktionieren. Wer sich rechtzeitig Hilfe holt – bestenfalls vor einer Krise, wenn erste Rechtsfragen auftreten, aber auch mittendrin oder erst nach Beginn eines Strafverfahrens –, der kann schnell wieder in eine aktive Rolle gelangen. Der erste Schritt ist dabei der schwierigste: sich einzugestehen, dass es externer professioneller anwaltlicher Hilfe bedarf. Ab Schritt zwei hilft FS-PP Berlin.

Ansprechpartner
Dr. Sebastian T. Vogel