Der Leiter der Organisationseinheit Forderungsmanagement bei einer Sparkasse muss nicht zwangsläufig Amtsträger sein.

Funktionale Bestimmung der Amtsträgereigenschaft i.S.d. § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB

Die vorliegende Entscheidung reiht sich in die bisherige Rechtsprechung des BGH ein, wonach der Begriff des Amtsträgers im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB funktional bestimmt werden muss.

Ähnlich hatte bereits der 2. Strafsenat mit Urt. v. 13.01.2016 – 2 StR 148/15 (https://fachanwaelte-strafrecht-potsdamer-platz.de/de/news/korruptionsstrafrecht/162-auf-die-funktion-kommt-es-an-bgh-zur-amtstraegereigenschaft-eines-angestellten-schulsekretaers-urt-v-13-01-2016-2-str-148-15)  entschieden.

In der vorliegenden Entscheidung kommt der 5. Strafsenat zu dem Ergebnis, dass der Leiter der Organisationseinheit Forderungsmanagement bei einer Sparkasse kein Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB sei,  da weder die Organisationseinheit noch der Leiter selbst konkret Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrgenommen haben.

Es genüge für die Qualifizierung des Angestellten als Amtsträger gerade nicht, dass er für eine behördenähnliche Institution tätig geworden sei.

Sachverhalt zur aktuellen Entscheidung

Nach den Feststellungen des Landgerichts trafen die Angeklagten H. und S. spätestens im Januar 2010 eine Unrechtsvereinbarung. Hiernach sollte der H. seine Stellung als Leiter der Organisationseinheit Forderungsmanagement bei der Sparkasse G. dazu nutzen, den Immobilienmakler S. mit der Verwertung von Immobiliarsicherheiten zu beauftragen.

Als Gegenleistung hierfür sollte H. von S. Kick-Back-Zahlungen erhalten, die aus der Stellung überhöhter Provisionsrechnungen an die Sparkasse G. generiert werden sollten.

Entsprechend ihrer Abrede beauftragten entweder der H. oder ihm unterstehende und von ihm hierzu angewiesene Sachbearbeiter den S. mit der Suche nach Käufern bzw. Bietern für zu verwertende Sicherheiten der Sparkasse G.

Bei erfolgreicher Vermittlung stellte der S. nach vorheriger Rücksprache mit dem H. entweder der Sparkasse überhöhte Maklerprovisionen in Rechnung, oder er stellte der Sparkasse eine Rechnung, obwohl die Voraussetzungen für eine Provisionszahlung nicht vorlagen oder der S. überhaupt nicht tätig geworden war (BGH, Urt. v. 11. Dezember 2019 – 5 StR 486/19, Rn. 2 f.).

Individuell-funktionale Betrachtung bei Angestellten im öffentlichen Dienst

Der BGH bestätigte die rechtliche Einschätzung des LG, dass es sich beim H. nicht um einen Amtsträger handele, mithin keine Verurteilung wegen §§ 331 ff. StGB in Betracht komme (BGH, Urt. v. 11. Dezember 2019 – 5 StR 486/19, Rn. 5):

Zunächst stellte der BGH mit Verweis auf § 4 Abs. 1 S. 2 und 3 des Niedersächsischen Sparkassengesetzes (NSpG) fest, dass die Sparkasse G. eine sonstige Stelle im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB sei, da sie als behördenähnliche Institution befugt gewesen sei, bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben mitzuwirken (BGH, Urt. v. 11. Dezember 2019 – 5 StR 486/19, Rn. 6 f.).

Eine Tätigkeit auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge komme hier aufgrund der Versorgung der Bevölkerung mit Bargeld und Krediten (vgl. § 4 NSpG) in Betracht. Das reiche zwar für sich genommen zur Annahme einer der Behörde gleichgestellten sonstigen Stelle nicht aus. Träger der Sparkassen könnten aber nur Gemeinden, Landkreise und Zweckverbände sein (§ 1 Abs. 1 Satz 1 NSpG), welche wiederum als rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts organisiert sind (§ 3 NSpG). Mithin unterlägen die Sparkassen durchweg staatlicher Steuerung (BGH, Urt. v. 11. Dezember 2019 – 5 StR 486/19, Rn. 8).

Entscheidend sei für die Strafbarkeit des H. aber wiederum, ob er in seiner Funktion als Leiter der Organisationseinheit Forderungsmanagement konkret Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrgenommen habe. Dies sei hier nicht der Fall gewesen:

Aufgaben der öffentlichen Verwaltung seien sowohl die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben als auch die Ausübung von Diensten der staatlichen Daseinsvorsorge, die bestimmt sind, unmittelbar für die Daseinsvoraussetzungen der Allgemeinheit oder ihrer Glieder zu sorgen (BGH, Urt. v. 11. Dezember 2019 – 5 StR 486/19, Rn. 9 f.).

In Anlehnung an die Rechtsprechung des 3. und 4. Senats nehme ein Sparkassenangestellter regelmäßig nur dann Aufgaben öffentlicher Verwaltung wahr, soweit die Sparkasse im Rahmen ihrer Tätigkeit als Kommunalbank tätig werde (vgl. (BGH, Urt. v. 10. März 1983 – 4 StR; 375/82; BGH, Beschl. v. 11. März 2004 – 3 StR 68/04).

Ausdrücklich offen ließ der 5. Senat, ob die Ausreichung von Krediten in Ausübung des gesetzlichen Auftrags nach § 4 Abs. 1 NSpG als Form der Daseinsvorsorge hierunter falle (BGH, Urt. v. 11. Dezember 2019 – 5 StR 486/19, Rn. 11 ff.).

Denn der H. sei – wie auch die Organisationseinheit, der er vorgestanden habe – lediglich mit der Rückabwicklung der Kreditverträge befasst gewesen.

Zwischen der Kreditversorgung der Bevölkerung und der Abwicklung notleidend gewordener Kredite bestehe auch kein derart enger Zusammenhang, dass auch die Rückabwicklung der Kredite als Teil einer möglichen öffentlichen Aufgabe anzusehen wären.

Die Aufgabe einer ausschließlich mit der Abwicklung gescheiterter Kreditverträge befassten Organisationseinheit bestünde in der Minimierung des Verlustrisikos des Kreditinstituts. Sie liege demgemäß im Interesse der Anteilseigner eines jeden Kreditinstituts und stelle als solche keine öffentliche Aufgabe dar (BGH, Urt. v. 11. Dezember 2019 – 5 StR 486/19, Rn. 14 f.).

Folgen der Entscheidung für die strafrechtliche Praxis

Der BGH führt mit der vorliegenden Entscheidung seine Rechtsprechung fort, der zufolge die Amtsträgereigenschaft von privatrechtlich Beschäftigten – anders als bei Beamten – stets einer funktionalen Betrachtung bedarf.

Das führt dazu, dass im Fall von Angestellten im öffentlichen Dienst stets eine genaue Untersuchung von Art und Umfang der konkreten Aufgaben des Betroffenen angezeigt ist.

Für die Verteidigung bieten sich hier wiederum Argumentationsspielräume.

Selbst wenn die Institution, für die der Betroffene tätig ist, eine Behörde oder behördenähnlich ist, muss daraus nicht zwangsläufig die Amtsträgereigenschaft folgen.