Seit vielen Jahren gibt es – bisher erfolglos gebliebene – Ansätze in Deutschland zur Schaffung eines einheitlichen bundesweiten „Korruptionsregisters“. Nunmehr hat das Bundeskabinett im März 2017 einen Regierungsentwurf über ein „Gesetz zur Einführung eines Wettbewerbsregisters“ (WRegG-E) erarbeitet. Der Entwurf des Gesetzes muss noch Bundestag und Bundesrat passieren.
Inhaltlich geht es in dem Gesetzesentwurf um die Bekämpfung der sogenannten Wirtschaftskriminalität in Unternehmen. Das Ziel dabei: Wer sich wegen Wirtschaftsdelikten strafbar gemacht hat, soll von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden können.
Wichtig ist, dass die inoffizielle Bezeichnung „Korruptionsregister“ zumindest sprachlich ungenau ist. Denn es sollen nicht nur Verurteilungen wegen Korruptionsstraftaten eingetragen werden, sondern generell Verurteilungen bei Wirtschaftsdelikten. Neben den Korruptionsdelikten der §§ 299, 331 ff. StGB sollen Verurteilungen wegen Geldwäsche gemäß § 261 StGB, wegen Betrug gemäß § 263 StGB und wegen Subventionsbetrug gemäß § 264 StGB eingetragen werden. Dies gilt jedoch auch für Verurteilungen wegen weiterer Straftaten wie der Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO, dem Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt gemäß § 266 a StGB, wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Ausschreibungen gemäß § 298 StGB sowie wegen diversen Straftaten (und Ordnungswidrigkeiten!) aufgrund von Verstößen gegen das Schwarzarbeitergesetz (SchwarzArbG), das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG), das Mindestlohngesetz (MiLoG) sowie das Arbeitnehmerentsendegesetz (AentG).
Es soll nunmehr erstmalig flächendeckend ein bundesweites Register zum Schutz des Wettbewerbs um öffentliche Aufträge und Konzessionen eingerichtet werden. Ein Unternehmen soll dort eingetragen werden, zu dem Erkenntnisse über dem Unternehmen zuzurechnende Straftaten oder andere (schwerwiegende) Verstöße vorliegen, die zugleich Gründe für einen Ausschluss von der Teilnahme an Vergabeverfahren darstellen.
Wird eine Entscheidung gegen eine natürliche Person, die für ein Unternehmen tätig geworden ist, rechtskräftig, muss die Zuwiderhandlung dem Unternehmen jedoch zugerechnet werden können. Dies soll nach dem Entwurf dann der Fall sein, wenn die natürliche Person als für die Leitung des Unternehmens verantwortlich gehandelt hat. Dies ist beispielsweise gegeben bei Geschäftsführern, Vorständen, Aufsichtsräten und leitenden Angestellten. Bußgeldentscheidungen (§ 30 OWiG gegebenenfalls in Verbindung mit § 130 OWiG) die gegen das Unternehmen selbst gerichtet sind, können ebenfalls zu einer Eintragung in das Register führen. Die oben genannte Zurechnung ist hier nicht notwendig.
Bedeutsam ist, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen eine Eintragung zwingend vorzunehmen ist, die Registerbehörde bezüglich der Eintragung also kein Ermessen hat. Sowohl die für Ordnungswidrigkeitenverfahren zuständigen Behörden, als auch die klassischen Strafverfolgungsbehörden sind verpflichtet, rechtskräftige Rechtsverstöße der Registerbehörde (Bundeskartellamt) mitzuteilen.
Bei öffentlichen Vergabeverfahren ist eine Verpflichtung öffentlicher Auftraggeber vorgesehen, ab einem Auftragswert von 30.000,00 EUR zwingend eine Auskunft über den Bieter, der den Zuschlag erhalten soll, einzuholen. Der öffentliche Auftraggeber entscheidet dann nach Maßgabe vergaberechtlicher Vorschriften über einen Ausschluss des Unternehmens.
Regelmäßig tritt eine Löschung des Registereintrags nach drei Jahren ein. Bei bestimmten Straftaten (zum Beispiel § 266 a StGB, § 370 AO) erfolgt die Löschung erst nach fünf Jahren. Jedoch kann eine vorzeitige Löschung beantragt werden, wenn das Unternehmen ein berechtigtes Interesse glaubhaft gemacht hat und ausreichende Maßnahmen der Selbstreinigung nachgewiesen hat. Hiermit sind vor allem Compliance-Bemühungen des Unternehmens gemeint. Insbesondere geht es hier um konkrete personelle, organisatorische und technische Maßnahmen zur zukünftigen Verhinderung solcher Verstöße, aber auch Schadenswiedergutmachung und Sachverhaltsaufklärung.
Nachdem in den vergangenen Jahren Vorstöße für ein gemeinsames deutschlandweites Register immer wieder gescheitert sind, ist nunmehr eine bundesweite Regelung zu erwarten. Die bis dahin bestehenden Registervorschriften aus den Bundesländern für die jeweiligen „Korruptionsregister“ sollen nach Einführung der bundesweiten Lösung dann keine Anwendung mehr finden.
Wird das Gesetz so verabschiedet, sehen sich Unternehmen in der gestiegenen, nunmehr nochmals kodifizierten Verantwortung, unrechtmäßiges Verhalten aus dem Unternehmen heraus effektiver als bisher zu bekämpfen. Wie schon in der GWB-Novelle ist auch im nun vorliegenden Gesetzesentwurf ausdrücklich geregelt, dass Unternehmen durchaus drohende Nachteile verhindern oder abmildern können. Voraussetzung hierfür ist aber, dass ausreichende Compliance-Strukturen aufgebaut worden sind und auch in Zukunft unterhalten werden. Ein Unternehmen, welches dies nicht glaubhaft und im Detail nachweisen kann, wird keine Möglichkeit haben, den Auftraggeber doch zur Auftragsvergabe zu bewegen oder eine vorzeitige Löschung aus dem Wettbewerbsregister zu erreichen. Dann droht ein – bundesweiter – Ausschluss von sämtlichen öffentlichen Ausschreibungen für regelmäßig drei, meistens jedoch wohl fünf Jahre. Diese Rechtsfolge dürfte den wirtschaftlichen Fortbestand für zahlreiche Unternehmen, die mit der öffentlichen Hand oder deren Unternehmen in nicht nur unwesentlicher Geschäftsverbindung stehen, deutlich gefährden oder für einzelne Unternehmen ggf. sogar existenzvernichtend wirken.
Schon gegenwärtig ist das Vorhandensein einer funktionierenden Compliance-Organisation aus haftungsrechtlichen Gesichtspunkten für Unternehmensleiter (Vorstand, Geschäftsführer, usw.) dringend zu empfehlen. Durch das vorgesehene bundesweite Wettbewerbsregister wird eine ausreichende Compliance-Vorsorge damit noch mehr zu einer betriebswirtschaftlich (häufig alternativlosen) Risikovorsorge zumindest für diejenigen Unternehmen, die an öffentlichen Ausschreibungen teilnehmen wollen. Das gilt auch deswegen, weil durch die manchmal noch wenig geklärte Rechtslage im „Arbeitnehmerbereich“ (AÜG, MiLoG, AentG etc.) das Eintragungsrisiko nochmals angestiegen sein dürfte – und das kann bereits bei bestimmten Ordnungswidrigkeiten der Fall sein.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Dr. Philipp Horrer berät und vertritt fortlaufend Unternehmen in bereits anhängigen Strafverfahren oder weit in deren Vorfeld. Zudem ist er als Compliance-Berater für diverse Unternehmen verschiedener Größe sowie als externer Compliance-Beauftragter für Unternehmen tätig. Die Risiken von Strafverfahren im Hinblick auf die Eintragung in sog. „Korruptionsregister“ bzw. Wettbewerbsregister sowie das „Krisenmanagement“ zur Verhinderung derartiger Eintragungen kennt er aus langjähriger Beratungspraxis. Unsere Kanzlei berät Sie zu diesen – und anderen Themen – gern.
notiert von Dr. Horrer
04/2017