Die vorliegende Entscheidung knüpft an die bisherige Rechtsprechung des BGH an, der zufolge die Subsumtion unter den Begriff des Amtsträgers im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB einer funktionalen Betrachtung bedarf. Prominentes Beispiel ist das Urteil des 5. Strafsenats zum sogenannten „Kölner Müllskandal“ (BGH, Urt. v. 2.12.2005 - 5 StR 119/05), nach dem eine städtisch beherrschte Abfallverwertungsgesellschaft nur dann eine sonstige Stelle im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB sei, wenn sie als „verlängerter Arm“ des Staates erscheint. Dies sei nicht der Fall, wenn ein Privater in einem Umfang an der Gesellschaft beteiligt ist, dass er durch eine Sperrminorität wesentliche unternehmerische Entscheidungen mitbestimmen kann.
Der 2. Strafsenat überträgt diese funktionale Betrachtungsweise in seinem aktuellen Urteil nun auf die Konstellation, dass ein Angestellter einer Behörde pflichtwidrig Vorteile annimmt. Nach Auffassung des BGH genügt es für die Qualifizierung des Angestellten als Amtsträger nicht, dass er für eine Verwaltungsbehörde tätig wird; entscheidend sei vielmehr, ob der Handelnde seiner konkreten Funktion nach öffentliche Aufgaben wahrzunehmen hat.
Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte als Angestellter eines städtischen Schulamts einer Schule als Schulsekretär zugewiesen. Bei der Schule handelt es sich um eine weiterführende berufliche Schule in städtischer Trägerschaft. Der Angekl. war nach der internen Aufgabenverteilung allein für das Bestell- und Zahlwesen zuständig, was unter anderem die Bestellung von Druckern, Tonern, Büromaterial und Hygieneartikeln umfasste. Er prüfte den Bedarf, bereitete Bestellungen vor, nahm Lieferungen entgegen, prüfte die Rechnungen, bereitete die Zahlungsvorgänge vor und holte die dafür notwendigen Unterschriften eines Mitglieds der Schulleitung bzw. des Kollegiums der Schule ein. Spätestens Anfang 2008 begann der Angekl. mit dem Verkauf und der anschließenden Entwendung von in der Schule gelagerten Tonerkartuschen. (abgekürzter Sachverhalt)
Der BGH hatte sich unter anderem mit der Frage zu befassen, ob es sich bei dem Angeklagten um einen Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB handelte und dieser deshalb als Täter einer Vorteilsannahme (§ 331 StGB) oder einer Bestechlichkeit (§ 332 StGB) in Betracht kommt.
Wird eine Person im Rahmen eines Anstellungsverhältnisses für eine Behörde oder sonstige öffentliche Stelle tätig, folgt nach Ansicht des BGH daraus nicht zwangsläufig, dass er als Amtsträger im strafrechtlichen Sinne handelt. Anders als bei stets als Amtsträger handelnden Beamten oder in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis stehenden Personen (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. a und b StGB) kommt es nach der Rechtsprechung bei Angestellten des öffentlichen Dienstes (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB) darauf an, ob der Handelnde seiner konkreten Funktion nach öffentliche Aufgaben wahrzunehmen hat (BGH, Urt. v. 13.01.2016 – 2 StR 148/15; BGH, Urt. v. 28.11.1979 – 3 StR 405/79). Erforderlich sei dazu jedenfalls eine gewisse selbstständige und eigenverantwortliche, wenngleich nicht unbedingt eine gehobene oder schwierige Tätigkeit (BGH, Urt. v. 13.01.2016 – 2 StR 148/15).
Dem BGH zufolge ist ein Handeln als Amtsträger in der Regel zu bejahen, wenn mit ihm ein gewisses Maß an Entscheidungsspielraum verbunden ist und die Tätigkeit über die Verwaltungsorganisation hinaus unmittelbare Außenwirkung entfaltet (BGH, Urt. v. 13.01.2016 – 2 StR 148/15). Im Hinblick auf das Kriterium des Entscheidungsspielraums betont der BGH, dass die Anforderungen an den erforderlichen Grad der Entscheidungsfreiheit nicht überspannt werden dürfen, soweit es sich um Tätigkeiten handelt, die innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der jeweiligen Behörde liegen (BGH, Urt. v. 13.01.2016 – 2 StR 148/15). Die betrauten Aufgaben müssen keinen hohen Schwierigkeits- und Komplexitätsgrad aufweisen. Der zugewiesene Aufgabenbereich muss auch nicht gehobener Natur sein (BGH, Urt. v. 13.01.2016 – 2 StR 148/15).
Demgegenüber begründen rein mechanische oder nur untergeordnete Hilfstätigkeiten, wie zum Beispiel Reinigungs- oder Schreibarbeiten innerhalb der öffentlichen Verwaltung in der Regel keine Amtsträgereigenschaft (BGH, Urt. v. 13.01.2016 – 2 StR 148/15).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe handelt der tatsächlich nach außen auftretende Entscheidungsträger einer öffentlichen Stelle stets als Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Ausreichend können nach dem BGH allerdings auch schlicht vorbereitende, unterstützende oder gar nur beratende Tätigkeiten sein, sofern der Betroffene aus diese Weise unmittelbar an der Verwaltungsentscheidung mitwirkt (BGH, Urt. v. 13.01.2016 – 2 StR 148/15). Dies ist namentlich dann der Fall, wenn sich die mitwirkende Tätigkeit als ein unentbehrliches Glied in einer Kette mehrerer Verrichtungen auf dem Weg zur endgültigen Verwaltungsentscheidung erweist und der Handelnde in der Lage sein, durch inhaltliche Befassung mit dem Gegenstand der Aufgabenstellung das endgültige Ergebnis der Verwaltungsentscheidung mitzugestalten bzw. mitzubestimmen (BGH, Urt. v. 13.01.2016 – 2 StR 148/15). Dabei genügt es, wenn der Betroffene rein faktisch die Möglichkeit hat, auf das Endergebnis der Verwaltungsentscheidung Einfluss zu nehmen (BGH, Urt. v. 13.01.2016 – 2 StR 148/15).
Der BGH führt mit der vorliegenden Entscheidung seine Rechtsprechung fort, der zufolge die Amtsträgereigenschaft von privatrechtlich Beschäftigten – anders als bei Beamten – stets eine funktionale Betrachtung erfordert. Im Fall von Angestellten im öffentlichen Dienst ist stets eine genaue Untersuchung von Art und Umfang der konkreten Aufgaben des Betroffenen angezeigt. Der angelegte Maßstab – ein gewisses Maß an Eigenverantwortlichkeit und Einflussmöglichkeit auf behördliche Entscheidungen – ist allerdings wenig bestimmt. Dies erfordert im Rahmen der strafrechtlichen Beratung erhöhte Vorsicht, insbesondere dann, wenn das Mandat Verwaltungsangestellte betrifft, die selbst nicht unmittelbar nach außen als Entscheidungsträger auftreten. Die Wertungsoffenheit der vom BGH angewandten Kriterien bietet in der Verteidigung jedoch zugleich Argumentationsspielräume. Insbesondere für städtische Unternehmen lohnt eine genaue Betrachtung der konkreten Aufgabengebiete des von einem Korruptionsvorwurf betroffenen Beschäftigten.
notiert von Frank, Albrecht
08/2016