Am 16. Dezember 2019 ist die „EU-Whistleblower-Richtlinie“ in Kraft getreten, die einen verbesserten Schutz von Hinweisgebern bezweckt, die Verstöße gegen das EU-Recht melden. Die nationalen Gesetzgeber müssen die Richtlinie innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht umsetzen.

Folgende Änderungen sind für Unternehmen relevant:

1. Pflicht zur Einrichtung eines internen Meldesystems

Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern sowie sämtliche Unternehmen der Finanzdienstleistungsbranche und Gemeinden mit mehr als 10.0000 Einwohnern sind verpflichtet, ein internes Hinweisgebersystem einzurichten (Art. 8 der Richtlinie).

2. Sachlicher und persönlicher Anwendungsbereich

Über das Hinweisgebersystem sollen insbesondere Verstöße gegen das EU-Recht, etwa im Verbraucherschutz, Datenschutz, Geldwäsche, Produkt- und Verkehrssicherheit sowie zahlreicher anderer Bereiche, gemeldet werden können (Art. 2 der Richtlinie).

Die EU spricht sich dafür aus, dass die Richtlinie bei der Umsetzung auch auf Verstöße gegen die nationale Rechtsordnung erweitert werden soll (Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie).

Unabhängig von einer nationalen gesetzlichen Pflicht kann das Hinweisgebersystem praktisch in jedem Fall auch für die Meldung von Verstößen gegen nationales Recht genutzt werden.

Die Richtlinie schützt nicht nur Mitarbeiter, die Missstände melden, sondern auch Bewerber, ehemalige Mitarbeiter oder Unterstützer des Hinweisgebers (Art. 4 der Richtlinie). Voraussetzung ist unter anderem, dass sie hinreichenden Grund zu der Annahme hatten, dass die gemeldeten Informationen über Verstöße zum Zeitpunkt der Meldung der Wahrheit entsprachen (Art. 6 Abs. 1a der Richtlinie).

3. Wahlmöglichkeit zwischen interner und externer Meldung

Grundsätzlich sollen Hinweise zunächst an eine interne Stelle im Unternehmen erfolgen (Art. 7 der Richtlinie). Aber auch eine direkte Anrufung der zuständigen Behörde ist möglich (Art. 10 der Richtlinie). Erst wenn auf die Meldung über diese Kanäle hin innerhalb von drei Monaten keine geeigneten Maßnahmen getroffen wurden, darf der Verstoß gegenüber der Öffentlichkeit offengelegt werden (Art. 15 Abs. 1 a der Richtlinie). In besonderen Fällen (unmittelbare Gefährdung des öffentlichen Interesses, Gefahr eines irreversiblen Schadens) ist allerdings auch eine direkte Offenlegung des Verstoßes gegenüber der Öffentlichkeit zulässig (Art. 15 Abs. 1 b der Richtlinie).

4.  Schutz des Hinweisgebers vor Repressalien und Schadensersatzanspruch

Die Richtlinie bezweckt zudem den Schutz des Hinweisgebers vor negativen Folgen seiner Meldung. Das umfasst den Schutz vor Kündigungen, Degradierungen und sonstigen Diskriminierungen. Zudem sind Sanktionen für Personen vorgesehen, die Meldungen be- oder verhindern Vergeltungsmaßnahmen gegen Hinweisgeber vornehmen, mutwillige Gerichtsverfahren anstreben oder die Identität des Whistleblowers offenlegen. Zudem sieht die Richtlinie einen Schadensersatzanspruch für Hinweisgeber vor.

5. Verfahren bei Meldungen

Die Richtlinie schreibt ein genaues Verfahren für den zeitlichen Ablauf der Behandlung von Meldungen vor (Art. 9 der Richtlinie).  Das betrifft zum einen die Bestätigung des Eingangs der Meldung innerhalb von sieben Tagen, die Benennung einer unparteiischen Person oder Abteilung sowie eine Rückmeldung an den Hinweisgeber innerhalb von drei Monaten.

6. Handlungsempfehlung

Unternehmen, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen (50 Mitarbeiter oder Finanzdienstleistungsbranche), empfehlen wir, möglichst zeitnah ein der Richtlinie entsprechendes Hinweisgebersystem einzurichten. Hierbei sind insbesondere die Vorgaben der Richtlinie in Bezug auf das Verfahren zu berücksichtigen.

In jedem Fall sollte die Einrichtung des Hinweisgebersystems innerhalb des Unternehmens ausreichend bekannt gemacht werden. Durch innerbetriebliche Kommunikationskanäle und Schulungen sollten Mitarbeiter und Führungskräfte für das Thema sensibilisiert werden.

Zwar ist die Richtlinie erst nach ihrer nationalen Umsetzung bindend, eine zügige Initiative liegt allerdings im eigenen Interesse der Unternehmen: Durch eine effektive Entgegennahme und Berücksichtigung von Hinweisen können externe Meldungen an die Behörden und die Öffentlichkeit und damit einhergehende Reputationsschäden vermieden werden.

Ein Hinweisgebersystem ist wichtiger Bestandteil eines wirksamen Compliance-Management-Systems.

https://fachanwaelte-strafrecht-potsdamer-platz.de/de/schwerpunkte/ombudsmann-vertrauensanwalt

https://fachanwaelte-strafrecht-potsdamer-platz.de/de/schwerpunkte/compliance/compliance-management