Ein faktischer Beschlagnahmeschutz für Informationen von Whistleblowern besteht im Rahmen von Durchsuchungen bei anwaltlichen Ombudspersonen durch das Zeugnisverweigerungsrecht, wenn Unterlagen technisch so verschlüsselt sind, dass sie ohne ein der Ombudsperson bekanntes Passwort nicht zugänglich sind.

Das Problem: Durchsuchungen bei Ombudspersonen

In letzter Zeit zeigt obergerichtliche Rechtsprechung die Tendenz, einen Beschlagnahmeschutz nach § 97 StPO hinsichtlich von Unterlagen abzulehnen, die eine anwaltliche Ombudsperson in ihrer Tätigkeit der Annahme von Hinweisen erhalten hat. Nur wenn das beauftragende Unternehmen selbst wenigstens eine beschuldigtenähnliche Stellung hat, soll § 97 StPO anwendbar sein.

Rettung durch Technik?

Ein Vorschlag der Literatur, dieser Entwicklung zu begegnen, macht sich technische Möglichkeiten gepaart mit dem Zeugnisverweigerungsrecht des Anwalts nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO zu eigen: Relevante Unterlagen sollen technisch so verschlüsselt werden, dass die einzige Zugriffsmöglichkeit über ein Passwort gewährleistet wird. Das Passwort soll nur der anwaltlichen Ombudsperson bekannt sein, die sich im Rahmen einer Durchsuchung auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen können soll, wenn sie von den Durchsuchungsbeamten nach besagtem Passwort gefragt wird, das für das Auffinden von Beweismittel notwendig ist.

Eine Anonymität von Hinweispersonen kann auf diese Weise nur dann tatsächlich erreicht werden, wenn

  1. die anwaltliche Ombudsperson keine Mitwirkungspflicht hat, das Passwort im Rahmen der Durchsuchung preiszugeben, und
  2. die Frage nach dem Passwort eine Befragung als Zeuge darstellt, auf die sich ein Zeugnisverweigerungsrecht beziehen kann, und
  3. ein Zeugnisverweigerungsrecht das Passwort tatsächlich erfasst.

Mitwirkungspflichten bei Durchsuchung

Mitwirkungspflichten zur Aufklärung des Sachverhalts bestehen in deutschen Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren jedenfalls für Beschuldigte und verdächtige Zeugen nicht (§ 136 Abs. 1 S. 2, § 55 StPO).

Zeugen sind im Übrigen lediglich verpflichtet, zu einer Vernehmung zu der sie geladen werden, zu erscheinen, dort wahrheitsgemäß auszusagen und die Aussage auf Verlangen zu beeiden (Fischer, StPO, 62. Aufl. 2019, vor § 48 Rn. 5). Weitere aktive Mitwirkungspflichten des Zeugen gibt es im Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren nicht. Im Rahmen einer Durchsuchung muss ein unbeteiligter Zeuge keine aktiven Hinweise geben, wo welche Informationen zu finden sind.

Auch ist das Unternehmen, das eine Ombudsperson bestellt hat, nicht im Rahmen von Mitwirkungspflichten als Zeuge verpflichtet, die anwaltliche Ombudsperson von einer Schweigepflicht zu entbinden.

Eine Ausnahme besteht im Fall einer Durchsuchung wegen Verstößen gegen europäisches Kartellrecht aus Art. 101 und Art. 102 AEUV. Die Durchsuchung kann durch deutsche Beamte über Art. 35 der europäischen RL 1/2003 und § 50 GWB durchgeführt werden. Gemäß Art. 20 Abs. 2 e) RL 1/2003, sind alle Mitarbeiter des Unternehmens auf Verlangen der Bediensteten der EU-Kommission und ermächtigten Begleitpersonen verpflichtet, Erläuterungen zu Tatsachen oder Unterlagen zu geben, die mit Gegenstand und Zweck der Nachprüfung in Zusammenhang stehen (vgl. auch Erwägungsgrund 23 der RL). Bei einer Durchsuchung wegen Verstößen gegen rein deutsches Kartellrecht finden die Befugnisse aus der RL 1/2003 keine Anwendung.

Die Regelungen zum EU-Kartellrecht stellen eine Ausnahme dar und sind nicht allgemein auf das deutsche Strafverfahren zu übertragen.

Eine Kooperation kann lediglich sinnvoll sein, um größeren Schaden bei der ansonsten regelmäßig erfolgenden Anwendung von Zwang zu verhindern. Im Fall des nicht zu entschlüsselnden Passworts kommt eine solche Kooperation nicht in Betracht, da kein Vorteil entsteht.

Befragung der Ombudsperson als Zeuge durch Frage nach dem Passwort

Die Aufforderung durch die durchsuchenden Beamten, das Passwort anzugeben, ist eine Frage, auf die sich das Zeugnisverweigerungsrecht beziehen kann. Es ist keine bloße Anweisung, einer – ohnehin nicht bestehenden – Mitwirkungspflicht nachzukommen, die ein Zeugnisverweigerungsrecht ggf. nicht auslösen könnte.

Gegenstand des Zeugenbeweises sind insbesondere Tatsachen. Zeuge ist, wer in einem nicht gegen ihn selbst gerichteten Verfahren Auskunft über die Wahrnehmung von Tatsachen gibt (Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, StPO, 62. Aufl. 2019, vor § 48 Rn. 1). Wird über Tatsachen Auskunft verlangt, findet eine Befragung als Zeuge statt, wenn die Person nicht Beschuldigter ist, sodass ein Zeugnisverweigerungsrecht bestehen kann. Auch eine informatorische Befragung stellt eine Befragung als Zeuge dar; einziger Unterschied zur Vernehmung ist, dass eine Belehrung noch nicht notwendig ist (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, StPO, 62. Aufl. 2019, § 58 Rn. 6). Ein Zeugnisverweigerungsrecht kann im Rahmen von Durchsuchungen nicht über Fragen, wo und wie Beweismittel aufgefunden werden können, umgangen werden.

Grundsätzlich kann bei der Frage nach dem Passwort zu verschlüsselten Daten also ein Zeugnisverweigerungsrecht bestehen.

Ist das Passwort auch von dem Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO erfasst?

Erfasst von dem Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO ist, was dem Rechtsanwalt in beruflicher Eigenschaft anvertraut wurde oder bekannt geworden ist.

Notwendig ist dabei, dass dem Rechtsanwalt die Tatsache in funktionalem Zusammenhang mit seiner Berufsausübung zur Kenntnis gelangt ist (BGH, Beschl. v. 18.02.2014 – StB 8/13, NJW 2014, 1314; Fischer, StPO, 62. Aufl. 2019, § 53 Rn. 9).

Probleme ergeben sich angesichts dieses erforderlichen Zusammenhangs, bei dem datenverschlüsselnden Passwort. Denn dieses steht nur im mittelbaren Zusammenhang mit einem Mandatsverhältnis des Rechtsanwalts und ist ihm nicht im Rahmen eines Vertrauensverhältnisses mit einer beschuldigten oder dritten Person bekannt geworden.

Allerdings wird durch die Preisgabe des Passworts uneingeschränkter Zugang geschaffen; dies möglicherweise bei nicht lediglich vereinzelter Verschlüsselung auch in Bezug auf Akten zahlreicher anderer Mandanten, hinsichtlich derer ein Zeugnisverweigerungsrecht und gegebenenfalls sogar ein Beschlagnahmeschutz wegen ihrer Beschuldigtenstellung besteht. Das Zeugnisverweigerungsrecht nicht auf das Passwort zu beziehen, erscheint vor diesem Hintergrund als Förmelei. Zu berücksichtigen ist außerdem, dass eine Strafbarkeit der anwaltlichen Ombudsperson nach § 203 StGB dadurch begründet werden kann, dass einem Dritten ein Zugang zu digitalisierten Geheimnissen gewährt wird, bzw. ein Aufrufen bestimmter Daten nicht verhindert wird (S/S/Eisele, StGB, 30. Aufl. 2019, § 203 Rn. 19; MK/Ciernak/Niehaus, StGB, 3. Aufl. 2017, § 203 Rn. 55).

Das Passwort verschlüsselter Unterlagen der anwaltlichen Ombudsperson muss daher unter das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO fallen. Durch Preisgabe könnte es zu einer Strafbarkeit nach § 203 StGB kommen.