Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass nur ein doppelter Anfangsverdacht für eine Geldwäsche strafrechtliche Ermittlungen auslösen kann. Es bedarf eines Anfangsverdachts nicht nur für eine Geldwäschehandlung, sondern auch für eine Katalogtat im Sinne von § 261 Abs. 1 S. 2 StGB. Zudem ist mithin ausentschieden, dass ein strafprozessualer Anfangsverdacht an stärkere Voraussetzungen geknüpft ist als die Meldepflicht nach § 43 GwG. Diese Entscheidung vom 31. Januar 2020 (2 BvR 2992/14) ist damit ein deutliches Zeichen an die Strafverfolgungsbehörden, dass Verdachtsmeldungen etwa von Banken nach dem GwG nicht automatisch den Startschuss für strafrechtliche Ermittlungen bedeuten, sondern eine eigenständige Verdachtsprüfung notwendig ist.

Der Fall

Ein in Pakistan geborener, in Deutschland in dem Restaurant seines Bruders als Oberkellner Beschäftigter erhielt binnen knapp drei Jahren Einzahlungen auf sein Girokonto über insgesamt 58.090,00 €. In dem gleichen Zeitraum waren von dem Konto durch vier Überweisungen insgesamt 16.710,00 € auf ein Auslandskonto nach Pakistan transferiert worden. Außerdem waren Barauszahlungen in Höhe von insgesamt rund 35.000 € erfolgt und kleinere Beträge von einem Geldautomaten der Citibank in Lahore/Pakistan abgehoben worden. Ansonsten gab es nur wenige andere Kontobewegungen.

Die Bank, bei der das Girokonto unterhalten wurde, erstattete am 7. November 2012 eine Verdachtsmeldung nach § 11 GwG a. F. Daraufhin leitete die Staatsanwaltschaft gegen ein Ermittlungsverfahren gegen den Kontoinhaber wegen des Verdachts der Geldwäsche ein. Die weiteren Ermittlungen ergaben keine polizeilichen Erkenntnisse über ihn. Nach einer Auskunft der Steuerfahndungsstelle des Finanzamts, die sich später als falsch herausstellte, konnten für ihn weder Lohndaten noch eine steuerliche Führung in dem Bundesgebiet festgestellt werden.

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft ordnete das Amtsgericht Frankfurt (Oder) auf der Grundlage von § 102 StPO die Durchsuchung der Wohn- und Nebenräume des Oberkellners sowie seiner Person und seiner Kraftfahrzeuge wegen des Verdachts der Geldwäsche an. Die Durchsuchung sollte der Auffindung von Aufzeichnungen über Art, Umfang und Hintergründe der von ihm veranlassten Geldbewegungen, unter anderem der Transaktionen nach Pakistan, über Reisen nach Pakistan sowie über Kontaktpersonen und mögliche Geldgeber dienen. Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, es bestehe der Verdacht, dass in 75 Fällen Geldmittel, die mutmaßlich aus Katalogtaten der Geldwäsche herrührten, unter Verwendung der Kontoverbindung des Oberkellners verborgen und verwahrt sowie deren Herkunft verschleiert worden seien, um sie zur Sicherung vor staatlichen Zugriffen in den legalen Finanzkreislauf zu schleusen. Zwar seien die Vortaten im Sinne des Katalogs des § 261 Abs. 1 S. 2 StGB derzeit nicht bekannt. Für den Anfangsverdacht einer Geldwäsche sei es aber ausreichend, dass eine auf kriminalistische Erfahrung gestützte Vermutung dafür spreche, dass jedenfalls eine verfolgbare Straftat begangen worden sei und die Durchsuchung zum Auffinden der Beweismittel führen werde. Die dem Konto des Beschwerdeführers im Tatzeitraum zugeflossenen Gelder ließen sich keinen legalen Einnahmequellen zuordnen. Der Beschwerdeführer habe davon Beträge in Höhe von 16.500,00 € direkt auf ein Auslandskonto nach Pakistan transferiert und die Gelder im Übrigen unmittelbar nach ihrer Einzahlung in größeren Beträgen wieder abgehoben und sie mutmaßlich während mehrerer Reisen nach Pakistan gebracht. Das deute darauf hin, dass das Konto zur Verschleierung unrechtmäßig erlangter Vermögenswerte verwendet worden sei, zumal nicht zu erkennen sei, dass es für Geschäfte des täglichen Lebens genutzt werde.

Die Durchsuchungsanordnung wurde vollzogen. Hiergegen legte der Beschuldigte Beschwerde ein und erhob zugleich Widerspruch gegen die Sicherstellung diverser Unterlagen. Er machte geltend, dass eine bloße Ausforschung beabsichtigt gewesen sei. Die Begründung des Beschlusses erschöpfe sich in einer Aneinanderreihung von Vermutungen und Spekulationen. Insbesondere existierten keine Anzeichen für Katalogtaten im Sinne des § 261 Abs. 1 S. 2 StGB. Per Beschluss stellte das Amtsgericht Frankfurt (Oder) die Rechtmäßigkeit der Durchsuchung fest und ordnete die Beschlagnahme bestimmter Unterlagen an. Die Voraussetzungen der §§ 102, 105 StPO hätten bei Erlass des Durchsuchungsbeschlusses vorgelegen. Insbesondere habe ein Anfangsverdacht für eine Straftat nach § 261 StGB bestanden, auch wenn die konkreten (Vor-) Taten noch unbekannt gewesen seien. Die hiergegen gerichtete Beschwerde blieb erfolglos, ebenso die daraufhin erhobene Anhörungsrüge.

Nach weiteren Ermittlungen stellte die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO ein. Der Beschuldigte erhob Verfassungsbeschwerde.

Die Entscheidung

Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass die Durchsuchungsanordnung des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) und die Verwerfung der dagegen gerichteten Beschwerde den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Unverletzlich der Wohnung aus Art. 13 Abs. 1 GG verletzten. Die Gerichte hätten einen Anfangsverdacht der Geldwäsche unter Verkennung der Bedeutung des Wohnungsgrundrechts angenommen.

Eine Wohnungsdurchsuchung wegen des Verdachts der Geldwäsche setze voraus, dass ein Anfangsverdacht nicht nur für die Geldwäschehandlung vorliegt, sondern auch für das Herrühren des Vermögensgegenstands aus einer Katalogvortat im Sinne von § 261 Abs. 1 S. 2 StGB (sog. doppelter Anfangsverdacht). Auch wenn es nicht erforderlich sei, dass die Geldwäschevortat bereits in ihren Einzelheiten bekannt ist, sei es aber nicht ausreichend für die Annahme eines Anfangsverdachts, wenn gar keine über bloße Vermutungen hinausgehenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Vortat bestehen. Auch Anhaltspunkte für die Annahme, das betroffene Geld oder der betroffene Vermögensgegenstand rührten aus irgendeiner Straftat her, genügten nicht, um Strafverfolgungsmaßnahmen auszulösen. Denn nach dem Willen des Gesetzgebers sei nicht jedes inkriminierte Geld geldwäschetauglich.

Die für die Meldepflicht aus § 43 GwG n. F. (§ 11 GwG a. F.) geltenden Anforderungen an den Geldwäscheverdacht könnten dabei nicht auf den strafprozessualen Anfangsverdacht übertragen werden (anders noch LG München I, Beschl. v. 13.07.2005 – 5 Qs 36/05). Denn die Meldepflicht nach dem Geldwäschegesetz sei an deutlich geringere Anforderungen geknüpft. Insbesondere müsse kein doppelter Anfangsverdacht im Hinblick auf die Geldwäschehandlung und das Herrühren des Vermögensgegenstands aus einer Vortat bestehen. Für das Vorliegen eines meldepflichtigen Verdachts sei es vielmehr ausreichend, dass (nur) objektiv erkennbare Anhaltspunkte dafür sprechen, dass durch eine Transaktion illegale Gelder dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden entzogen oder die Herkunft illegaler Vermögenswerte verdeckt werden sollen und ein krimineller Hintergrund im Sinne des § 261 StGB nicht ausgeschlossen werden kann. Das biete für die Strafverfolgungsbehörden genügenden Anstoß für Vorermittlungen, durch die das Vorliegen eines Anfangsverdachts erst geprüft werden könne, ohne dass jedoch eine Durchsuchung durchgeführt werden dürfe.

In dem zu entscheidenden Fall hätten bei Erlass der Durchsuchungsanordnung zwar tatsächliche Anhaltspunkte für die Vermutung bestanden, dass die eingezahlten Gelder aus Straftaten herrühren könnten. Angesichts der Einkommensverhältnisse und Lebensumstände des Beschuldigten seien die Einzahlungen nicht mit Einnahmen aus legalen Quellen zu erklären gewesen; auch nicht, wofür die Gelder verwendet wurden. Tatsächliche Anhaltspunkte, die auf das Herrühren aus einer der Katalogvortaten schließen ließen, seien jedoch nicht vorhanden gewesen. In den angegriffenen Beschlüssen sei nicht dargelegt worden, aus welchen Gründen die Herkunft gerade aus einer Katalogvortat möglich erschienen sei. Vielmehr sei sowohl den Fachgerichten als auch der Staatsanwaltschaft bewusst gewesen, dass nicht einmal geringe Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Katalogvortat gegeben waren. Letztlich habe der einzige in dem Ermittlungsverfahren konkret ausgesprochene Vortatverdacht mit § 266a StGB ein Delikt betroffen, das in der vorliegend einzig in Betracht kommenden Begehungsweise nicht von dem Katalog des § 261 Abs. 1 S. 2 StGB umfasst ist. Der Beschuldigte sei deshalb in seinem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG verletzt gewesen.

Erkenntnisse aus der Entscheidung

Wann ein meldepflichtiger Sachverhalt vorliegt, ist mitunter schwer zu beurteilen. Banken erstatten Verdachtsmeldungen deshalb eher früher als später. Umso wichtiger ist, dass Staatsanwaltschaften nach einer solchen Meldung eigenständig prüfen, ob zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, um auch strafprozessuale Maßnahmen zu ergreifen. In der Vergangenheit geschah das nicht annähern so oft, wie es hätte sein müssen. Nach dieser Entscheidung ist eine entsprechende Sensibilität hoffentlich geweckt.

Die Kanzlei FS-PP Berlin, namentlich Fachanwalt für Strafrecht Dr. Niklas Auffermann, berät nicht nur auf dem Gebiet der Geldwäscheprävention. Wir verteidigen auch regelmäßig bei Vorwürfen der Geldwäsche nach § 261 StGB. Zu überprüfen, ob die Strafverfolgungsbehörden ihre Maßnahmen überhaupt auf einen begründeten Anfangsverdacht stützen können, ist dabei erste anwaltliche Obliegenheit. Auch FS-PP Berlin hat eine ähnliche Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe anhängig gemacht, über die noch entschieden werden wird.

Notiert von Auffermann/Vogel 04/2020