Am 26. Oktober 2022 hat die Bundesregierung den Entwurf eines 2. Sanktionsdurchsetzungsgesetzes (SDG II) vorgelegt, das auf das im Mai 2022 in Kraft getretene SDG I folgt und daran anknüpfend die Durchsetzung von EU-Sanktionen weiter effektivieren soll.

Nachdem mit dem SDG I neue behördliche Befugnisse im Bereich der Ermittlung und Sicherstellung von Vermögenswerten sanktionierter Personen und Personengesellschaften geschaffen wurden, ist das SDG II insbesondere auf strukturelle Verbesserungen bei der Vollziehung dieser Befugnisse gerichtet.

Schaffung einer Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung

Kern des Gesetzesentwurfs ist die Schaffung einer „Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung“, welche beim Bundesministerium der Finanzen (BMF) angesiedelt werden soll und die bislang für diesen Bereich zuständigen Behörden der Bundesländer ablösen soll. Die Bundesregierung verspricht sich durch die Zentralisierung zum einen eine besser koordinierte Sanktionsdurchsetzung und zum anderen Synergieeffekte mit der ebenfalls zum Geschäftsbereich des BMF gehörenden Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (FIU), welche für die Geldwäschebekämpfung zuständig ist. Die bislang im Bereich des Außenwirtschaftsrechts bestehenden Befugnisse des BAFA und der Bundesbank bleiben unberührt.

Die neue Zentralstelle darf im Zusammenhang mit ihren Ermittlungs- und Sicherstellungsbefugnisse u.a. Auskünfte verlangen, Personen vernehmen, Unterlagen und Vermögensgegenstände sicherstellen und – nach vorheriger richterlicher Anordnung – Geschäfts- und Wohnräume durchsuchen. Darüber hinaus ist sie zum Informationsaustausch insbesondere mit Strafverfolgungs-, Polizei- und Steuerbehörden und sogar mit Nachrichtendiensten berechtigt.

Errichtung eines Vermögensregisters

Eine weitere geplante Neuerung liegt in der Errichtung eines öffentlich einsehbaren „Registers für die Erfassung und Zugänglichmachung von Vermögenswerten sanktionierter Personen oder Personengesellschaften“. Das Register soll sowohl den Informationsaustausch zwischen staatlichen Stellen erleichtern, als auch als Informationsquelle für private Akteure (Unternehmen, Notare, Rechtsanwälte etc.) dienen. Besonders zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang, dass in das Register auch erhebliche Vermögenswerte mit unklarer Eigentümerschaft oder wirtschaftlicher Berechtigung eingetragen werden sollen. Damit seien nach der Entwurfsbegründung Fälle erfasst, in denen „aufgrund entsprechender belastbarer Hinweise eine Zuordnung zu einer gelisteten Person oder Einrichtung naheliegt - ohne dass dieser Bezug schon rechtssicher bewiesen werden könnte“.

Einrichtung einer Hinweisannahmestelle

Ganz auf einer Linie mit den aktuellen Bestrebungen des Gesetzgebers (s. unseren Beitrag zum Entwurf eines Hinweisgeberschutzgesetzes) soll die Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung auch mit einer Hinweisannahmestelle ausgestattet werden, die Hinweise auf mutmaßliche, in den Zuständigkeitsbereich der Zentralstelle fallende Rechtsverstöße entgegenzunehmen hat. Das Hinweisgebersystem soll anonyme Meldungen ermöglichen, es sei denn eine Offenlegung der Identität ist gesetzlich erforderlich und/ oder sie wird gerichtlich angeordnet.

Besondere Überwachungsmaßnahmen auch durch externe Beauftragte

Die Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung soll des Weiteren auch für die Anordnung sog. besonderer Überwachungsmaßnahmen zuständig sein, die dann ergehen kann, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine juristische Person oder Personengesellschaft gegen ein sanktionsrechtliches Bereitstellungs- oder Verfügungsverbot verstoßen hat oder dass ein solcher Verstoß unmittelbar bevorsteht. Tatsachen in diesem Sinne sollen nach dem Gesetzentwurf etwa dann vorliegen, wenn eine sanktionierte Person eine Mehrheitsbeteiligung an dem betroffenen Unternehmen hält, über die Besetzung der Leitungs- oder Aufsichtsorgane des Unternehmens bestimmen oder Entscheidungen im Namen und für Rechnung des Unternehmens treffen kann. Zu den besonderen Überwachungsmaßnahmen zählt neben Auskunfts- und Betretungsrechten auch die Befugnis, an Beratungen der Organe des betroffenen Unternehmens teilzunehmen.

Durch das SDG II soll der Zentralstelle nun auch die (aus der Außenwirtschaftsaufsicht bekannte) Befugnis gegeben werden, diese Überwachungsmaßnahmen an geeignete und sachkundige Dritte auszulagern, welche die behördlichen Befugnisse in eigener Person ausübt.

Schließlich soll es Unternehmen ermöglicht werden, die Anordnung einer Überwachung selbst zu beantragen. Die Entwurfsbegründung verweist insofern darauf, dass „Unternehmen mit einer gewissen Sanktionsnähe (die beispielsweise durch einen gelisteten Minderheitseigner begründet sein kann) vor der Herausforderung stehen können, ihre Kunden, Lieferanten oder Banken davon zu überzeugen, dass das Unternehmen trotz einer Sanktionsnähe nicht selbst Gegenstand von Sanktionen ist. Ein von der Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung zur Überwachung der Sanktionskonformität der Aktivitäten des Unternehmenrs eingesetzter Dritter kann dem Unternehmen und übrigen Marktteilnehmern zu mehr Rechtssicherheit verhelfen.“

Fazit

Mit dem SDG II unternimmt die Bundesregierung einen weiteren, wesentlichen Schritt hin zu einer effektiven Überwachung und Durchsetzung der Einhaltung von EU-Sanktionsvorschriften. Die weitreichenden und nach dem Entwurf zentral verorteten Ermittlungs- und Sicherstellungsbefugnisse lassen eine verstärkte behördliche Regulierungstätigkeit in diesem Bereich erwarten, die im Einzelfall neben – ebenfalls in weitem Umfang zulässige – Ermittlungs- und Abschöpfungsmaßnahmen der Strafverfolgungsbehörden (s. dazu Albrecht, jurisPraxisReport-Strafrecht 13/2022 Anm. 2) treten kann. Das geplante Register wird es Unternehmen erleichtern, die für die Sicherstellung der eigenen Compliance im Bereich des Sanktionenrechts benötigten Informationen zu erhalten, wird allerdings auch Anpassungen der bestehenden Prüfprozesse erforderlich machen. Ob die im Gesetzentwurf vorgesehene Möglichkeit der Beantragung der eigenen Überwachung durch die Zentralstelle oder deren Beauftragte tatsächlich ein attraktives Angebot an „sanktionsnahe“ Marktteilnehmer darstellen kann, oder ob die Vorstellung, dass z.B. Sitzungen der Geschäftsleistung zukünftig in Anwesenheit einer „Überwachungsperson" stattfinden, Unternehmen doch eher abschreckt, wird abzuwarten sein.