Das Lieferkettengesetz kommt: Deutsche Unternehmen werden verpflichtet Menschenrechtsrisiken in ihren Lieferketten zu analysieren, daraus abgeleitete Sorgfalts- und Berichtspflichten einzuhalten und Beschwerdemechanismen einzurichten. Sonst drohen Bußgelder.

Vom Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte zum Lieferkettengesetz

Kaum ein Unternehmen verzichtet heute darauf, sich zu dem Thema Corporate Social Responsibility (CSR) zu positionieren. Konsumenten sind sich zunehmend der Auswirkungen ihrer Nachfrage auf Umwelt und Menschenrechte auf der globalen Ebene bewusst. Nachdem sich in den letzten Jahren zahlreiche Unternehmen eigenverantwortlich um ihr soziales und umweltbezogenes Nachhaltigkeitsprofil gekümmert haben, hat nunmehr auch die Politik das Thema für sich entdeckt.

Zur Umsetzung der Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte beschloss die Bundesregierung 2016 einen Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP). Dessen Zielsetzung war es, die menschenrechtliche Lage entlang der Liefer- und Wertschöpfungsketten in Deutschland und weltweit zu verbessern. Dabei wurde zunächst auf die freiwillige Einhaltung von menschenrechtlichen Sorgfaltsregeln durch die Unternehmen gesetzt. Nachdem der NAP in den letzten beiden Jahren jedoch nur zu einer geringen Resonanz in der Wirtschaft geführt hatte, greift eine Vereinbarung im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien, eine verbindliche gesetzliche Regelung zu schaffen. Nach einigem Hin und Her vermeldet das Kabinett einen „historischen Durchbruch“. Ein ministerieller Referentenentwurf soll im März im Kabinett verabschiedet werden und dem Vorhaben zu Gesetzeskraft verholfen werden.

Eckpunkte des nationalen Lieferkettengesetzes

Die wesentlichen Eckpunkte für das Gesetzesvorhaben sind bereits bekannt: Das Gesetz gibt ab seinem Inkrafttreten eine Übergangsphase von zwei Jahren und gilt ab dem 1. Januar 2023. Verpflichtet werden ab 2023 zunächst Unternehmen mit Sitz in Deutschland mit 3.000 Mitarbeitern und ab 1. Januar 2024 auch Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern.

Ihnen sollen besondere menschenrechtliche Sorgfaltspflichten auferlegt werden. Sie beinhalten in erster Linie die Überprüfung der eigenen Auslandsaktivitäten und Lieferbeziehungen auf potentiell und tatsächlich nachteilige Auswirkungen auf die international anerkannten Menschenrechte. Dies betrifft vor allem Aspekte wie Zwangs- und Kinderarbeit, Diskriminierung, Arbeitnehmerrechte, Arbeits-, Gesundheits- und Umweltschutz. Im Hinblick auf die erkannten Risiken sind geeignete und angemessene Bewältigungsmaßnahmen zu ergreifen. Unternehmen sollen dazu verpflichtet werden, die Ergebnisse ihrer Risikoermittlung und -steuerung in einem öffentlichen Bericht darzulegen. Die Risikoerfassung soll zudem durch ein unmittelbar an Betroffene adressiertes Beschwerdeverfahren flankiert werden, das vom verpflichteten Unternehmen selbst zu etablieren ist oder kollektiv, etwa auf Verbandsebene, eingerichtet werden kann.

Die Sorgfaltspflichten sollen durch eine ordnungswidrigkeitenrechtliche Haftung der Unternehmen für vorhersehbare und vermeidbare Beeinträchtigungen abgesichert werden. Diese Sanktion erlangt insoweit besonderes Gewicht, als sie zum Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen führen kann. Der Beitritt zu staatlich anerkannten Branchen- oder Schutzstandards kann eine Einschränkung der Haftung auf vorsätzliches und grob fahrlässiges Verhalten bewirken. In Rücksicht auf die Unternehmen beziehen sich die Sorgfaltspflichten in erster Linie auf das erste Glied in der Lieferkette, also auf den eigenen unmittelbaren Geschäftspartner. Für weitere mittelbare Zulieferer in der Lieferkette gilt eine abgestufte Verantwortung, die sich durch konkrete Anhaltspunkte für Menschenrechtsverstöße konkretisieren kann. Ein zivilrechtliches Klagerecht für von Menschenrechtsverletzungen Betroffene gegen das am Ende der maßgeblichen Lieferkette stehenden Unternehmen in Deutschland ist in dem Referentenentwurf nicht mehr enthalten. Gleichwohl soll ein Klagerecht für NGOs und Gewerkschaften vorgesehen sein. Wie die Regelungen konkret ausgestaltet werden, bleibt zunächst abzuwarten.

Der Europäische Gesetzgeber auf der Überholspur?

Parallel zu den Bemühungen der Bundesregierung ist das Thema CSR nachhaltig Bestandteil der europarechtlichen Rechtssetzung geworden.

Auf europäischer Ebene verabschiedete die EU im Jahr 2014 die CSR-Richtlinie, die großen börsennotierten Unternehmen in erster Linie Berichtspflichten auferlegte. Am 1. Januar 2021 ist eine neue EU-Verordnung über den Handel mit sogenannten Konfliktmineralien und damit einhergehende Sorgfaltspflichten in Kraft getreten und in der Zwischenzeit hat der EU-Justizkommissar im September 2020 im Justizausschuss des Europaparlaments hat der Justizkommissar die Vorlage einer Sorgfaltspflichtenrichtlinie und die Überarbeitung der CSR-Richtlinie angekündigt.

Die grundlegenden Inhalte überschneiden sich mit dem nationalen Lieferkettengesetz. Auch in dem europäischen Entwurf für eine Sorgfaltspflichtenrichtlinie wird die menschenrechtsorientierte Risikoanalyse der Lieferketten, die Beachtung von daraus abzuleitenden Sorgfaltspflichten, ein korrespondierendes Berichtssystem, die Einrichtung von Beschwerdemechanismen und behördliche Kontrollen und Sanktionen antizipiert. Nach dem derzeitigen Kenntnisstand übertrifft der Entwurf die national geplanten Anforderungen in Teilen: Erfasst sein sollen in der EU ansässige Unternehmen mit mehr als 10 Mitarbeitern, Beschwerden Betroffener aus der Lieferkette sollen veröffentlicht werden, eine zivilrechtliche Haftung der Unternehmen soll ermöglicht werden, geschäftsführende als auch beaufsichtigende Gesellschaftsorgane sollen ausdrücklich in die Pflicht genommen werden und so einem Haftungsdurchgriff ausgesetzt sein.

Was ist zu tun?

Unternehmen, die über ein eingerichtetes Compliance-Management-System verfügen, müssen das Lieferkettengesetz nicht fürchten. Risikoermittlung und -bewältigung, Berichts- und Evaluationswesen und Hinweisgebersystem sind dann bekannte Mechanismen, die an die Anforderungen des Lieferkettengesetzes anzupassen sind. Das Haftungsrisiko kann auf diese Weise angemessen und effizient unter Nutzung vorhandener Compliance-Strukturen gesteuert werden.

FS-PP behält die Entwicklungen zum Lieferkettengesetz und zu der Sorgfaltspflichtenrichtlinie für Sie im Auge und unterstützt Sie bei einer entsprechenden Anpassung Ihres Compliance-Management-Systems oder bei der Vorbereitung für eine bestimmte Zertifizierung.