In zweiter Instanz hat das OLG Hamm in seinem Urteil vom 19. Mai 2019 (Az. 8 U 146/18) die fristlose Kündigung eines Geschäftsführers aus wichtigem Grund aufgrund eines gravierenden Compliance-Verstoßes für rechtmäßig anerkannt. Das Erfordernis einer vorherigen Abmahnung bestehe bei der Kündigung eines Geschäftsführers aus wichtigem Grund nicht.

Wer die unternehmensinternen Compliance-Regeln nicht kennt, ist schon ungeeignet zur Führung des Unternehmens.

Der Vorsitzende der Geschäftsführung hatte wissentlich eine Zahlung auf eine fingierte Forderung freigegeben, um damit eine Provisionsabrede zu honorieren, die gegen die unternehmensinternen Compliance-Vorschriften über zustimmungsbedürftige Geschäfte verstieß. Das Unternehmen, Teil eines Konzerns, hatte ihm daraufhin fristlos gekündigt.

Zum relevanten Zeitpunkt verfügte der Konzern über ein „konzernweit einheitliches Compliance-Programm zur Einhaltung von Recht, Gesetz und unternehmensinternen Richtlinien“ . Dazu gehörte u.a. eine Konzernrichtlinie „Korruptionsprävention", nach welcher schon der „böse Schein“ einer korruptiven Handlung zu unterlassen war.

Die Unterschrift des Geschäftsführers zur Autorisierung einer fingierten Forderung begründe eine schwerwiegende Pflichtverletzung. Dadurch seien schon Interessenbewahrungs- und Vermögensbetreuungspflichten des beklagten Unternehmens in grober Weise verletzt worden. Darüber hinaus habe die Gutschrift für die Forderung aber auch eine Provisionsabrede honoriert, die gegen die unternehmensinternen Compliance-Vorschriften über zustimmungsbedürftige Geschäfte verstoßen habe. Der Verstoß gegen unternehmensinterne Compliance-Regelungen stelle auch unabhängig von einer Genehmigungsfähigkeit der Provisionsabrede eine schwerwiegende Pflichtverletzung dar.

Darüber hinaus habe der Kläger sein Verhalten gemeinsam mit weiteren Mitarbeitern verschleiern wollen. Das Gericht führt dazu aus:

„Hinzu kommt, dass der Kläger durch sein Verhalten nicht nur seine eigene Vorbildfunktion untergrub, sondern auch die verfahrensrechtlichen und materiellen Compliance-Regeln in Frage stellte. Hält sich sogar ein Vorgesetzter erkennbar nicht an ausdrückliche und schriftliche Compliance-Regeln, so verlieren diese erst recht gegenüber den Mitarbeitern ihre „Autorität“.“ 

Das Gericht betont also ausdrücklich die besondere Vorbildfunktion der Geschäftsführung mit Blick auf Gesetzes- und Regeleinhaltung („tone from the top“). Damit steht auch in Einklang, dass das Gericht die Tatsache, dass kein Schaden entstanden sei, ausdrücklich nicht als mit Blick auf die Schwere der Pflichtverletzung entlastend angesehen hat. Eben diese Schwere liege nicht in der Höhe des drohenden Schadens begründet, sondern in der „Qualität der Pflichtverletzung“,  also der groben Verletzung von internen Compliance-Vorgaben.

Schließlich bedurfte es nach Auffassung des Gerichtes auch keiner Abmahnung. So sei eine solche Abmahnung bei Leitungsorganen von Kapitalgesellschaften schon aufgrund des dahinterliegenden Schutzzweckes nicht angezeigt. Diese würden Umfang von Pflichten und Tragweite von Pflichtverletzungen regelmäßig kennen, dies sei aber auch „(normativ) von ihnen zu verlangen“. Schließlich kommt das Gericht zu dem beachtlichen Schluss:

„Wer die Compliance-Regeln seines eigenen Unternehmens und die Sanktionen, mit denen sie bewehrt sind, nicht kennt, ist von vornherein ungeeignet, dieses zu führen.“

Im Rahmen der Interessenabwägung ergänzt das Gericht dazu:

„Hinzu kommt, dass der Kläger mit seinem Vorgehen Compliance-Regeln von zentraler Bedeutung für die Beklagte verletzt hat. Gerade von Führungskräften ist insoweit ein hohes Maß an Befolgung zu verlangen.“

Einmal mehr hat ein Gericht damit die Bedeutung interner Compliance-Regeln für die Geschäftsführung hervorgehoben – Regelkenntnis und Einhaltung sind – neben der Bedeutung für einen authentischen „tone from the top“ – Voraussetzung für das rechtmäßige Handeln der Leitungsebene und können bei Verstößen zur fristlosen Kündigung führen.