EU-weiter Whistleblowerschutz und Pflicht zur Schaffung von Hinweisgebersystemen
EU-Kommission stellt Richtlinienentwurf vor
Mit einer neuen Richtlinie will die EU-Kommission den Schutz von Hinweisgebern in der Europäischen Union verbessern. Die entsprechenden Pläne wurden Ende April in Brüssel vorgestellt.
Der jetzt vorgelegte Entwurf soll EU-weiten Schutz bei der Meldung von Verstößen gegen das EU-Recht in bestimmten Bereichen gewährleisten, z.B. öffentliche Auftragsvergabe, Finanzdienstleistungen, Produktsicherheit, Umweltschutz, Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit, Tiergesundheit und Tierschutz, öffentliche Gesundheit, Verbraucherschutz und Schutz der Privatsphäre. Geht es nach den Vorstellungen der Kommission, sollen die Mitgliedstaaten aber nicht nur in diesen Bereichen tätig werden, sondern darüber hinaus umfassende Rahmenbedingungen für den Schutz von Hinweisgebern schaffen.
Hinweisgebersysteme werden zur Pflicht
Strukturell vorgesehen ist ein dreigliedriges Meldesystem: Im Grundsatz sollen Whistleblower zunächst die internen Kanäle im Unternehmen nutzen. Dazu müssen nach der Richtlinie Unternehmen mit mehr als 50 Angestellten oder einem Jahresumsatz von mehr als 10 Millionen Euro, alle Bundes- und Landesbehörden sowie alle Kommunalbehörden in Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern ein Meldesystem etablieren, das die Vertraulichkeit der Identität von Hinweisgebern gewährleistet. Außerdem muss sichergestellt sein, dass Whistleblower innerhalb von maximal drei Monaten ein Feedback auf ihre Hinweise bekommen. Jedes der oben genannten Unternehmen muss einen Verantwortlichen oder eine verantwortliche Abteilung für die Entgegennahme von Hinweisen bestimmen. Ausdrücklich kann es sich dabei auch um externe Stellen handeln, wenn die Vertraulichkeit gewährleistet ist.
Zunächst muss intern gemeldet werden
Nur wenn die internen Kanäle nicht existieren – zum Beispiel bei kleinen Unternehmen – oder nicht funktionieren, oder wenn eine unmittelbare oder offenkundige Gefährdung des öffentlichen Interesses oder die Gefahr eines irreparablen Schadens besteht, soll sich ein Hinweisgeber an die zuständigen Behörden oder, wenn auch das nicht weiterhilft, an die Öffentlichkeit wenden können.
Verbot von Benachteiligungen und Beweislastumkehr
Ausdrücklich verbietet der Richtlinienentwurf jegliche Vergeltungsmaßnahmen. Die Beweislast wird in solchen Fällen umgekehrt, sodass die von der Meldung betroffene Person oder Organisation nachweisen muss, dass sie keine Vergeltungsmaßnahmen gegen den Hinweisgeber ergreift.
Auf der anderen Seite enthält der Vorschlag auch Sicherungsmaßnahmen, durch die in böser oder missbräuchlicher Absicht getätigte Meldungen unterbunden und Rufschädigungen vermieden werden sollen.
(Richtlinienentwurf der Europäischen Kommission (in englischer Sprache))
Rechtsanwalt Dr. Rainer Frank: Richtigerweise priorisiert die Kommission beim Whistleblowerschutz unternehmensinterne Meldesysteme, die nun zur Pflicht werden sollen. Sowohl für Hinweisgeber als auch für Unternehmen ist es am effektivsten, Anhaltspunkten für Fehlverhalten und/oder für anfällige Strukturen gleich auf der ersten Ebene – nämlich im Unternehmen selbst – konsequent nachzugehen. Sinnvoll dafür ist die Einrichtung einer externen anwaltlichen Ombudsstelle (Vertrauensanwalt). Solche Systeme bieten für die vertrauliche Behandlung der Identität eines Hinweisgebers die beste Gewähr.