Die Entscheidung des BAG: Anonyme Teilnahme an der geistigen Auseinandersetzung ist nicht möglich

Das BAG hat im Jahr 2003 (BAG 2 AZR 235/02 vom 03.07.2003; NJW 2004, 1547) im Fall einer anonym erstatteten Strafanzeige entschieden, dass anonyme Äußerungen nicht dem Grundrecht der Meinungsfreiheit unterfallen; denn: "Ohne deutlich erkennbare Zuordnung der Äußerung ist eine Teilnahme an der geistigen Auseinandersetzung nicht möglich." Die Entscheidung muss heute als überholt angesehen werden.

Was sich seit 2003 geändert hat

Die Entscheidung des BAG aus dem Jahr 2003 ist unter dem Schlagwort "Anonymitätsgrundsatz des Bundesarbeitsgerichtes" in die verfassungsrechtliche Fachdiskussion eingegangen (siehe etwa: Schulz, Ethikrichtlinien und Whistleblowing). Die vom BAG damals zitierten Quellen (ErfK, Art 5 Rn. 5) tragen die kompromisslose Haltung des BAG heute nicht mehr. Schmidt (ErfK, Art. 5, Rn. 5) betont zwar die Bedeutung des Elementes der Stellungnahme und des Dafürhaltens für den Schutzbereich des Art. 5 GG. Hervorgehoben wird jedoch auch die Funktion der Meinung im Rahmen der geistigen Auseinandersetzung. Eine explizite Beschränkung auf namentlich getätigte Meinungsäußerungen findet sich nicht. In der Literatur finden sich eher gegenteilige Aussagen (so etwa: Kühling in BeckOK Informations- und Medienrecht, Art. 5 Rn. 33; Kühling NJW 2016, 447, 448).

Es ist deutlich erkennbar, dass seither ein Wandel in der Rechtsprechung stattgefunden hat. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der fortschreitenden Digitalisierung und zunehmenden Wichtigkeit des Internets. Insbesondere in den folgenden Entscheidungen wird ausdrücklich festgestellt, dass auch anonyme Äußerungen grundsätzlich dem Schutzbereich des Art. 5 I GG unterfallen: