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Verbot der Suizidbeihilfe verfassungswidrig
Bundesverfassungsgericht: § 217 StGB ist nichtig
Das Bundesverfassungsgericht hat die Diskussionen um den Tatbestand der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung vorerst beendet. Es hat § 217 StGB für nichtig erklärt und einer einschränkenden verfassungskonformen Auslegung eine Absage erteilt. Damit ist die Rechtslage wiederhergestellt, wie sie vor Dezember 2015 bestand.
Grundsätzlich galt und gilt: An einer Handlung, die nicht tatbestandsmäßig ist, kann sich niemand strafbewehrt beteiligen. Das war auch lange Zeit für die Frage der Beihilfe zu einem Suizid so: Weil die Selbsttötung keine tatbestandsmäßige Handlung ist, ist die Beihilfe hierzu – eigentlich, obigen Regeln folgend – straflos. Die Situation war schon immer anders, wenn der Suizident nicht frei und eigenverantwortlich agierte oder die Tatherrschaft bei der helfenden Person lag. Seit Dezember 2015, mit Einführung des § 217 StGB, war aber auch die Beihilfe zu einem freiverantwortlichen Suizid unter Umständen strafbar: nämlich dann, wenn die Suizidassistenz geschäftsmäßig erfolgte. Ziel der Regelung war es, Sterbehilfevereine zu verhindern. Angebote der geschäftsmäßigen Beihilfe zum Suizid, so die Begründung, könnten eine Art Erwartungsdruck erzeugen, diese Angebote auch wahrzunehmen, um die eigene Familie und die Gesellschaft als Ganzes von dieser „Last“ zu befreien.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Norm nun in seiner Entscheidung vom 26. Februar 2020 aufgehoben (2 BvR 2347/15, 2 BvR 651/16, 2 BvR 1261/16, 2 BvR 1593/16, 2 BvR 2354/16, 2 BvR 2527/16).
Abrechnungsbetrug durch MVZ-Gründung
Strohmann schützt vor Strafe nicht
Sich wegen Abrechnungsbetruges strafbar zu machen geht auch dann, wenn sämtliche Leistungen lege artis erbracht worden sind. Luftleistungen braucht es nicht zwingend. So nämlich wird mit der Unterschrift unter der Quartalsabrechnung gegenüber der KV nicht nur erklärt, die Leistungen tatsächlich erbracht zu haben. Miterklärt wird z. B. auch konkludent, dass die Voraussetzungen zur Gründung des MVZ, in dem man tätig ist, eingehalten wurden. Liegen die Voraussetzungen nach § 95 Abs. 1a SGB V nicht vor, etwa weil Geschäftsanteile von einem Apotheker erworben werden sollen, und wird diese Regelung durch den Einsatz eines Strohmannes umgangen, können horrende Schadenssummen auflaufen – und beträchtliche Freiheitsstrafen ausgeurteilt werden, wie das LG Hamburg jüngst entschied (Urt. v. 11.03.2019 – 618 KLs 2/17).
Cybercrime im Gesundheitswesen
Neue Publikation - und Realität
Das Thema"Cybercrime im Gesundheitswesen - Malware, Ransomware und der Handel mit Patientendaten" greift Rechtsanwalt Dr. Vogel in der neuesten Ausgabe der ZfMER, der Zeitschrift für Medizin-Ethik-Recht (dort S. 6 ff.), auf. Das Thema ist brisanter denn je: Erst im Juli 2019 legte ein Hackerangriff die Systeme in elf Krankenhäusern und vier Altenpflegeeinrichtungen in Rheinland-Pfalz und dem Saarland lahm - verbunden mit einer Lösegeldforderung. Die Versorgung der Patientinnen und Patienten war noch möglich, wenn auch umständlicher. Gleichwohl zeigen diese Fälle, wie verwundbar solche Systeme sein können. Hier ist - wie offenkundig dort geschehen - eine schnelle Reaktion gefragt, um weiteren Schaden abzuwenden.
Gefälschte Pflegedokumentation
Grund zur Kündigung – und für Ermittlungen wegen Abrechnungsbetrug
Verfahren wegen Abrechnungsbetrug in der Pflege reißen nicht ab. Nicht in jedem Falle, in dem die Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufnimmt, kommt es zu Verurteilungen: Bloße Fehler führen ebenso wenig zu einer Strafbarkeit der Betreiber des Pflegedienstes wie jedwede Auffälligkeit, etwa auf den ersten Blick unplausible Leistungszeiten. Einen Fall, der einen strafrechtlichen Anfangsverdacht auch für die Geschäftsführung des Pflegedienstes mit Sicherheit hätte begründen können, ohne dass ein Abrechnungsbetrug vorlag, hat das Arbeitsgericht Siegburg am 7. August 2019 entschieden (Urt. v. 07.08.2019 – 3 Ca 992/19).
Sozialversicherungspflicht von Honorarärzten und Honorarpflegekräften
Bundessozialgericht bestätigt Praxis der Versicherungsträger
Der 12. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) hat mit Urteilen vom 6. Juni 2019 und vom 7. Juni 2019 entschieden, dass Ärzte, die als Honorarärzte in einem Krankenhaus tätig sind, in dieser Tätigkeit regelmäßig nicht als Selbstständige anzusehen seien, sondern als Beschäftigte des Krankenhauses der Sozialversicherungspflicht unterlägen (Az. 12 R 11/18 R als Leitfall). Entsprechendes gelte für Honorarpflegekräfte (Az. 12 R 6/18 R als Leitfall).
Geschäftsmäßige Suizidbeihilfe vor Gericht
Bundesverfassungsgericht verhandelt über § 217 StGB
Karlsruhe verhandelt das Verbot der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe und damit ein existenzielles Thema. Mehr als nur eine Strafnorm steht zur Debatte.
Es könnte der Grundtenor auch für jedes Strafverfahren sein, in dem höchstpersönliche Rechtsgüter von Patienten wie Gesundheit, Leben und Selbstbestimmung in Rede stehen: Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. Dr. h. c. Andreas Voßkuhle suchte die Erwartungen gleich an den ersten von zwei Verhandlungstagen zu dämpfen, indem er sagte, es gehe bei dem Verfahren betreffend die Strafnorm der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung einzig um deren Verfassungsmäßigkeit – nicht um eine moralische oder politische Beurteilung des Suizids. Ähnlich schwierig aber, wie es ist, etwa ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren frei von Irrationalitäten und Bauchgefühlen zu halten, wird es auch sein, das bundesverfassungsgerichtliche Verfahren auf die rechtliche Subsumtion zu fokussieren.
Cybercrime im Gesundheitswesen
Malware, Ransomware und der Handel um Patientendaten
Während Wörter wir Industriespionage, das Hacken von Social-Media-Profilen und Phishing noch halbwegs bekannt sind, sind die aus dieser Kenntnis gezogenen Lehren oft nur marginal. Der Satz „Warum sollte ausgerechnet mir das passieren?“ wird zur Grundlage guter Hoffnungen gemacht – privat wie beruflich.
Schlichtungsstellen der BÄK: rund 2.200 Behandlungsfehler 2017
Keine Aussage über Strafverfahren gegen Ärzte
Die Schlichtungsstellen und Gutachter der Bundesärztekammer (BÄK) vermelden für das Jahr 2017 2.213 Behandlungsfehler. In 1.783 Fällen führten die Fehler zu Gesundheitsschäden, davon in 62 Fällen zum Tod des Patienten. Ist auch jeder Einzelfall ein Fall zu viel, ist die Statistik im Ganzen gleichwohl nicht dramatisch angesichts von 19,5 Millionen Krankenhausbehandlungen und rund einer Milliarde Arzt-Patienten-Kontakten in Arztpraxen jährlich insgesamt. Über die Gefahr, als Arzt oder Pfleger zum Beschuldigten eines Strafverfahrens zu werden, sagt die Statistik indes wenig bis nichts.
Schottdorf-Urteil: Freispruch laborärztlicher Praxisbetreiber
Vorwurf des Abrechnungsbetrugs
Mögen die noch immer relativ neuen Vorschriften zur Korruption im Gesundheitswesen die medizinische wie medizinrechtliche Diskussion nach wie vor bestimmen, hat der Vorwurf des Abrechnungsbetruges nichts von seiner Aktualität und Brisanz verloren. Neben vermeintlichen Abrechnungsbetrügereien bei niedergelassen Ärzten, im MVZ-Bereich sowie in der Pflege sind wiederkehrend auch Laborleistungen Gegenstand von Strafverfahren. In einem Großverfahren mit einem behaupteten Schadensvolumen in Höhe von 79 Millionen Euro hat der BGH nunmehr am 12. Juli 2017 ein freisprechendes Urteil gefällt (Az. 1 StR 535/16).
Sterbehilfe: OLG Hamburg bejaht Rettungspflicht trotz Sterbewunsch
Vorwurf der versuchten Tötung auf Verlangen
Wer sich in einer schwierigen Lage befindet, etwa im Endstadium unheilbar krank ist und – trotz der Möglichkeit palliativmedizinischer Angebote – freiverantwortlich, wohlerwogen und ernstlich den Wunsch nach einem selbstbestimmten Sterben hegt, sieht sich aktuell einem Dilemma ausgesetzt. Will er nicht seine Angehörigen, die er eigentlich um sich zu haben wünscht, bevor die den eigenen Tod herbeiführenden Medikamente ihre Wirkung entfalten, der Gefahr eines Strafverfahrens aussetzen, wird ein Sterben in Einsamkeit als die rechtssicherste Variante anempfohlen werden müssen – dem OLG Hamburg sei „dank“, das in einem Beschluss vom 8. Juni 2016 (1 Ws 13/16) das Unterlassen von Rettungsmaßnahmen bei freiverantwortlichem Suizid als versuchte Tötung auf Verlangen durch Unterlassen bewertet hat. Wiewohl diese Entscheidung inhaltlich falsch ist, sie der unmissverständlichen Tendenz der neueren BGH-Rechtsprechung zuwiderläuft und auch Landgerichte und Staatsanwaltschaften in Entscheidungen neueren Datums mehr Rechtskenntnisse zeigen, ist der Beschluss des OLGs Hamburg aber zumindest geeignet, für Unsicherheit bei Heilberufsangehörigen, den Betroffenen selbst und deren Verwandten zu sorgen.