Hebammen sind wichtig. Und Hebammen arbeiten in einem gefahrgeneigten Beruf. Geht etwas schief oder verwirklicht sich „nur“ ein Risiko, drohen hohe Schadensersatzklagen – und Strafverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung oder fahrlässiger Tötung. Überdies lauern Gefahren auch bei der Abrechnung, Stichwort: Abrechnungsbetrug. Und wenn es ganz schlimm kommt, dann steht sogar die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung Hebamme oder Entbindungspfleger auf der Kippe. Das jahrelange Problem um die Berufshaftpflichtversicherungen und die Kosten dafür nimmt sich demgegenüber, wenn es um die Existenz geht, fast (aber auch nur fast) klein aus.

Der „Klassiker“: Behandlungsfehlervorwürfe

Während Geburtsschadensfälle in der arzthaftungsrechtlichen Praxis, also in zivilrechtlichem Kontext, in dem es um Schadensersatz und Schmerzensgeld geht, nicht selten sind und sogar eigene Spezialisten auf Anwaltsseite dafür hervorgebracht haben, sind Strafverfahren gegen Hebammen und Entbindungspfleger die Ausnahme. Doch: Es gibt sie.

Tatsächlich geht es dann oft um Hausgeburten, bei denen es zu Komplikationen kam und der Vorwurf lautet, nicht rechtzeitig Hilfe geholt oder überhaupt ein Setting zu Hause begleitet zu haben. Es geht um Risikogeburten, um Kaiserschnitte (Sectio caesarea), Beckenendlagen, Sauerstoffunterversorgung, um viele andere Risiken, wenn sie sich denn verwirklichen. Und es geht, bei einem klinischen Setting, neben den eben genannten Komplikationen um die korrekte Arbeitsteilung zwischen Medizinerinnen und Medizinern auf der einen und der Hebamme auf der anderen Seite und darum, wann eine Hebamme sich auf die Ärztin verlassen darf und wann sie remonstrieren muss.

Verwirklicht sich ein Risiko, geht es meist um schwerste Schädigungen bei dem Kind, schlimmstenfalls um das Thema Tod.

Rechtlich ist der Vorwurf dann der einer fahrlässigen Körperverletzung oder fahrlässigen Tötung (§ 229 StGB bzw. § 222 StGB), zuweilen auch einer unterlassenen Hilfeleistung nach § 323c StGB.

Weitere Gefahrenquelle Abrechnungsbetrug

Neben diesen „Klassikern“ strafrechtlicher Vorwürfe gegen Hebammen fristet der Vorwurf des Abrechnungsbetruges (§ 263 StGB) kein Schattendasein. Zusätzlich problematisch ist hier: Es steht die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung Hebamme oder Entbindungspfleger auf dem Spiel. Das gilt erst recht bei Falschabrechnungen über einen längeren Zeitraum, kann aber auch schon bei einer erst- und einmaligen Verurteilung wegen Gebührenbetrugs virulent werden.

Verteidigung und Umgang mit den Strafverfolgungsbehörden

Ist ein Strafverfahren eingeleitet worden, weil es eine Anzeige gab oder von Amts wegen (weil das Kind gestorben ist, sog. Todesermittlungsverfahren, § 159 StPO), und erhält der oder die Beschuldigte eine Vorladung oder einen Äußerungsbogen von der Polizei oder der Staatsanwaltschaft, ist frühe Hilfe sinnvoll.

Das Problem: Fälle, in denen Kinder sterben oder schwerstgeschädigt sind, sind stets mit Emotionen wie Trauer und Wut vergesellschaftet, die in das Verfahren hereingetragen werden und denen sich auch Profis wie Staatsanwälte nicht immer zu 100 % verschließen können. Hinzu kommt, dass Staatsanwälten und Staatsanwältinnen oft die Kenntnis fehlt, wie Hebammen in Notfallsituationen agieren oder wie die Abgrenzung und das Miteinander zwischen Entbindungspflegern und Ärztinnen aussehen. Staatsanwältinnen entscheiden eben selten ad hoc, selten in unübersichtlichen Situationen, selten über Leben und Tod – ihr Arbeiten ist so weit weg von dem von Hebammen, dass Empathie, ein Einfühlen in die Situation, nicht intuitiv gelingt. Hierfür bedarf es eines Spezialisten, der ein Mittler ist zwischen der medizinischen Seite und der Anklagebehörde und der Medizinstrafverfahren zu führen versteht. Wer sich indes nicht früh genug verteidigt, läuft Gefahr, nicht rechtzeitig einwirken zu können auf die Auswahl eines oder einer Sachverständigen, auf die Ermittlungen, auf die Entscheidungsfindung und auf den Verfahrensausgang.

Doch auch derjenige, der diesen Punkt verpasst und eine Anklage oder einen Strafbefehl kassiert hat, kann sich hiergegen noch wehren – besser spät als nie.

Im Ergebnis lassen sich solche Verfahren gut verteidigen. Ein Strafverteidiger ist gut, ein Fachanwalt für Medizinrecht auch, und am besten ist die Mischung aus beidem: ein Medizinstrafrechtler.

Ansprechpartner
Dr. Sebastian T. Vogel