Die Frage, ob eine Behandlung noch ambulant oder schon stationär ist, beschäftigt zunehmend auch Staatsanwaltschaften. Vorwurf: Abrechnungsbetrug nach § 263 StGB. Für die Krankenhäuser auf der einen und die Krankenkassen auf der anderen Seite geht es dabei um viel Geld – und für die involvierten Ärztinnen und Ärzte geht es, wenn ein Strafverfahren geführt wird, um Geld- und Freiheitsstrafen.

Zahlen und Zahler

2019 waren es mehr als zehn Millionen ambulante Notfälle in Deutschlands Krankenhäusern; die Zahl der stationären Fälle lag bei fast neun Millionen, Tendenz: steigend. Dafür aufkommen müssen: die Krankenkassen.

So nimmt es nicht wunder, dass auch die Streitigkeiten über Krankenhausabrechnungen zunehmen. Abrechnungsbeträge werden krankenkassenseitig reduziert, es werden Gutachten des Medizinischen Dienstes eingeholt, Klagen vor den Sozialgerichten geführt. Und nach Einführung des § 275c Abs. 2 SGB V haben Krankenkassen ein Interesse daran, einen „begründeten Verdacht einer systematisch überhöhten Abrechnung“ festzustellen, weil dann gewisse Beschränkungen bei den Prüfquoten nicht mehr gelten.

Ein Strafverfahren wegen Abrechnungsbetruges mag einer Krankenkasse dann schon gelegen kommen.

Sozialrecht

Die Vergütung der in Krankenhäusern erbrachten Leistungen richtet sich maßgeblich danach, ob die Krankenhausbehandlung (voll-) stationär, stationsäquivalent, teilstationär, vor- und nachstationär oder ambulant erbracht wird. Bei einer stationären (notfallmedizinischen) Behandlung entsteht ein Vergütungsanspruch eines Krankenhauses gegenüber einer Krankenkasse gemäß § 109 Abs. 4 S. 3 SGB V i. V. m. § 7 Abs. 1 KHEntG i. V. m. den jeweiligen Entgeltvereinbarungen. Dafür, wann im Bereich der Notfallmedizin eine (voll-) stationäre Behandlung i. S. d. § 39 Abs. 1 SGB V vorliegt und wann die Behandlung als ambulante Behandlung einzuordnen ist, haben Rechtsprechung und Literatur diverse Kriterien herausgearbeitet.

Dabei ist maßgebendes Abgrenzungskriterium die geplante Dauer des Behandlungsaufenthaltes. Hierbei kann die tatsächliche Dauer des Aufenthaltes herangezogen werden. Angenommen wird eine stationäre Behandlung regelmäßig, wenn sie sich zeitlich über mindestens einen Tag und eine Nacht erstreckt. Das bedeutet aber nicht, dass immer dann eine ambulante Behandlung vorliegt und keine stationäre, wenn sich die Behandlung über weniger als einen Tag und eine Nacht erstreckt hat. Auch bei einer kürzeren Behandlungsdauer kann die Infrastruktur eines Krankenhauses durch Planungen, Reservierungen und Vorbereitungen derart intensiv in Anspruch genommen werden, dass in der Krankenhausorganisation Aufwendungen entstehen, die über die tatsächliche Dauer des Behandlungsaufenthaltes hinausgehen. Eine Rolle spielt deshalb auch stets die Eingliederung des Patienten in das spezifische Versorgungssystem des Krankenhauses.

In der Praxis kommt es gleichwohl bei kürzeren Behandlungsdauern nicht selten zu Diskrepanzen zwischen Krankenkasse und Krankenhaus: Aus einer de facto kurzen Behandlungsdauer wird auf einen ambulanten Fall, daraus auf eine Falschabrechnung, und daraus auf einen Fall eines möglichen Abrechnungsbetrugs geschlossen. Finden sich viele Fälle, findet sich auch ein interessierter Staatsanwalt, der entsprechende Ermittlungen einleitet.

Strafrecht

Ein Betrug in Gestalt des Abrechnungsbetruges setzt u. a. eine Täuschung über Tatsachen (nicht über Rechtsmeinungen) voraus, auf der subjektiven Tatseite Vorsatz und die Absicht rechtswidriger Bereicherung. Auf beiden Ebenen finden sich diverse Abgrenzungsschwierigkeiten und Rechtsprobleme – und Verteidigungsansätze.

Mit Blick auf Abrechnungen von Krankenhausleistungen etwa fällt es in vielen Fällen schwer, wirklich eine (strafbare) Täuschung über Tatsachen zu erkennen und nicht lediglich eine (straflose) Täuschung über Rechtsfragen. Ferner sind die Kriterien der Sozialgerichtsbarkeit zur Unterscheidung, wann es sich noch um eine ambulante und wann schon um eine stationäre Notfallbehandlung handelt, eher vage und nicht so rechtsklar, sodass bei einer Diskrepanz, nicht einmal bei einer gerichtlich festgestellten falschen Auslegung, von einer vorsätzlichen Täuschung ausgegangen werden kann. So gibt es zahlreiche Beispiele in der Rechtsprechung, in denen ein Landessozialgericht die erstinstanzliche Entscheidung des Sozialgerichts korrigierte, nur um dann seinerseits von dem Bundessozialgericht vorgehalten zu bekommen, die Unterscheidung zwischen ambulant und stationär nicht korrekt gehandhabt zu haben.

Fazit

Verantwortliche in Krankenhäusern – in den Leitungen, den Compliance-Abteilungen, die Chefärztinnen und Chefärzte – tun gut daran, zum einen ihre SOPs und Verfahrensanweisungen darauf abzuklopfen, dass sie sauber formuliert sind, dass Ärztinnen und Ärzte ausreichend dokumentieren mit Blick auf die geplante Behandlungsdauer und dass für die Abrechnungsabteilungen und Kodierassistentinnen und -assistenten klar ersichtlich ist, ob es sich um eine ambulante oder eine stationäre Behandlung gehandelt hat. Zum anderen sollte mit Ermittlungsverfahren und Anfragen von Staatsanwaltschaften proaktiv umgegangen und sollten frühzeitig die Weichen für eine schnelle und kluge Verteidigung gestellt werden.

Erste Anhaltspunkte gibt es von Dr. Sebastian T. Vogel in der Zeitschrift das Krankenhaus 2022, 192. Hilfe in der Prävention und eine kluge Verteidigung: gibt es hier.

Ansprechpartner
Dr. Sebastian T. Vogel