Neue Fragen kommen auf Ärztinnen und Ärzte, Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten zu. Wie verhalten sich die psychotherapeutische Schweigepflicht und die Meldepflicht nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG), wenn ein Patient Symptome auf Corona zeigt? Darf sich ein Arzt Masken und Schutzkleidung von einem Vertragspartner schenken lassen? Wie ist zu entscheiden, wenn Beatmungsgeräte nicht reichen? Was gilt strafrechtlich für Ärztinnen, die schon im Ruhestand waren und nun zurück in die Praxis gehen? Welche organisatorischen Maßnahmen müssen Kliniken ergreifen mit Blick auf meldepflichtige Sachverhalte? Auf solche Fragen gibt es alte Antworten und neue, pauschale und solche für den Einzelfall. Ganz leicht ist keine von ihnen.

Wichtig: ein Problembewusstsein

Die gegenwärtigen Zeiten verlangen nach Lösungen. Wer medizinisch effektive Lösungen bereithalten will, sollte indes immer auch bedenken, ob sie einer rechtlichen Prüfung in der Zeit nach der Krise standhalten. Denn während Bürgerinnen und Bürger, Patientinnen und Patienten in Ausnahmesituationen eher nachsichtig sind, Strafverfolgungsbehörden ohnehin eingeschränkt arbeiten, gilt das für die Zeit danach nicht genauso. Ist ein Schaden eingetreten, haben schon immer alle vorher gewusst, dass man so aber damals nicht agieren durfte.

So begrüßenswert es beispielsweise ist, dass Ärztinnen und Ärzte aus dem Ruhestand wieder in die Praxen und Krankenhäuser kommen, dass sie ihre langjährige Tätigkeit in Ärztekammern zeitweilig aufgeben, um wieder am Patienten zu arbeiten – es bedarf einer genauen Prüfung, welche Aufgaben übernommen werden können und wo die Ärztin vielleicht schon ein wenig zu lange „raus ist“, um den gegenwärtigen Standard noch abzubilden. Das gilt mit Blick auf ein eigenes Übernahmeverschulden ebenso wie hinsichtlich des Vertrauensgrundsatzes der anderen, die sich fragen müssen, worauf sie sich verlassen können und wo noch (zumindest anfänglich) Anleitung und Aufsicht notwendig sind. Auch dass pensionierte Ärzte quasi via Skype junge Kollegen fernberaten, ist lobenswert, kann im Fall der Fälle aber zu Missverständnissen und schlimmstenfalls zu Schuldzuweisungen führen. Klare Kommunikation ist das A und O.

Denn: Alte Regeln gelten fort!

Nur weil es sich aktuell um eine Krise handelt, medizinisches Personal dringend gebraucht, von den Balkonen beklatscht wird, ist die frühere Gesetzeslage nicht außer Kraft gesetzt, werden jetzige Handlungen später trotzdem unter Umständen überprüft. Korruptionsvorschriften wie § 299a StGB gelten fort, und wer sich für die schnelle und unentgeltliche Maskenlieferung durch den Vertragspartner mit einer Intensivierung der Vertragsbeziehung revanchiert, kommt in Erklärungsnöte. Gleichwohl ist auch die Annahme solcher Zuwendungen möglich – mit dem richtigen Problembewusstsein und bei Beachtung bestimmter Regeln.

Auch die Schweigepflicht gilt natürlich weiterhin, deren Bruch kann nach § 203 StGB bestraft werden. Unter bestimmten Voraussetzungen ist aber das Offenbaren von Patientengeheimnissen zulässig und eine Meldung an die jeweilige Gesundheitsbehörde sogar Pflicht: etwa dann, wenn die Patientin in der Psychotherapiesitzung klare Symptome auf Corona zeigt, zuvor in einem Risikogebiet war oder Kontakt mit einem bestätigten Fall von Covid-19 hatte und eine ärztliche Abklärung verweigert.

Ferner Kliniken und deren Geschäftsführung trifft die Obliegenheit, die Pflichten nach dem Infektionsschutzgesetz organisatorisch einzubetten. Geschieht das nicht und werden Fälle etwa zu spät gemeldet, können Ordnungswidrigkeitenverfahren oder sogar Strafverfahren gegen Ärztinnen und Ärzte und die Geschäftsführung eingeleitet werden.

Letztlich mag es zu solchen Konstellationen kommen, in denen nicht genügend Intensiv- und Beatmungsplätze vorhanden sind. Die Frage, wie unter mehreren zu beatmenden Patienten eine Auswahl zu treffen ist, wenn etwa zwei Patienten bei nur einem freien Platz eingeliefert werden (Triage bei Ex-ante-Konkurrenz), oder ob die lebenserhaltenden Maßnahmen eines bereits beatmeten Patienten zu Gunsten einer neu eingelieferten Patientin beendet werden dürfen (Triage bei Ex-post-Konkurrenz), ist nicht nur ethisch, sondern auch und vor allem rechtlich heikel.

Beratung und Verteidigung

FS-PP Berlin hilft Rechtssuchenden jederzeit. Telefonisch, per Videotelefonie und über E-Mail sind wir auch in diesen Tagen stets erreichbar, um kurzfristige Lösungen zu fördern. Hat sich doch jemand beschwert, zumal bei den Strafverfolgungsbehörden, und ist eine Verteidigung notwendig, hat FS-PP Berlin die notwendige Expertise – auch, um zu alten Fragen neue Verteidigungsstrategien zu entwickeln.

Ansprechpartner
Dr. Sebastian T. Vogel