Verfahren wegen Abrechnungsbetrug in der Pflege reißen nicht ab. Nicht in jedem Falle, in dem die Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufnimmt, kommt es zu Verurteilungen: Bloße Fehler führen ebenso wenig zu einer Strafbarkeit der Betreiber des Pflegedienstes wie jedwede Auffälligkeit, etwa auf den ersten Blick unplausible Leistungszeiten. Einen Fall, der einen strafrechtlichen Anfangsverdacht auch für die Geschäftsführung des Pflegedienstes mit Sicherheit hätte begründen können, ohne dass ein Abrechnungsbetrug vorlag, hat das Arbeitsgericht Siegburg am 7. August 2019 entschieden (Urt. v. 07.08.2019 – 3 Ca 992/19).

Der Fall

Inmitten des Falles stand eine Altenpflegerin, die bereits mehrfach von ihrem Arbeitgeber abgemahnt worden war, u. a. weil sie eine Patientin nicht richtig versorgt gehabt und es an der notwendigen Dokumentation gefehlt habe. Gegenstand des arbeitsrechtlichen Verfahrens war nunmehr, dass die Pflegekraft, anstatt persönlich zu einer Patientin zu fahren, um dieser die Nachttablette zu geben, lediglich mit ihr telefoniert habe. Den Leistungsnachweis für den nächtlichen Besuch habe sie dennoch abgezeichnet und auf dem Tagestourennachweis bestätigt, die Patientin in der Zeit von 22:55 Uhr bis 23:06 Uhr versorgt zu haben. Der Pflegerin wurde daraufhin fristlos gekündigt.

Die Entscheidung

Das Arbeitsgericht Siegburg wies die dagegen gerichtete Kündigungsschutzklage ab, weil der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete, vom Arbeitgeber nur schwer zu kontrollierende Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, an sich geeignet sei, einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung darzustellen. Der Pflegedienst sei auf eine korrekte Dokumentation der Arbeitszeit seitens der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen angewiesen und müsse darauf vertrauen können. Übertrage der Arbeitgeber den Nachweis der geleisteten Arbeitszeit den Arbeitnehmerinnen selbst und fülle ein Arbeitnehmer die dafür zur Verfügung gestellten Formulare wissentlich und vorsätzlich falsch aus, so stelle das einen schweren Vertrauensmissbrauch dar.

Kontext der Entscheidung

Vorwürfe des Abrechnungsbetrugs in der Pflege nach § 263 StGB wiegen schwer, weil sie das Vertrauen der Patientinnen und Patienten in die sie betreuenden Personen massiv erschüttern können. Zudem sind solche Verfahren nicht selten medienwirksam. Höchst problematisch wird solch ein Verfahren aber dann, wenn bereits während den Ermittlungen vermeintlich inkriminierte Gewinne abgeschöpft werden und damit dem Pflegedienst der finanzielle Spielraum genommen oder sogar seine Existenz bedroht ist.

Insbesondere unplausible Leistungsnachweise sind geeignet, das Misstrauen der Pflegekassen und Behörden auf sich zu ziehen und damit die Aufnahme strafrechtlicher Ermittlungen zu befördern. Eine strenge Rechtsprechung zum Vermögensschaden einerseits und eine oft nach dem Bauchgefühl vorgenommene Abgrenzung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit seitens der Strafverfolgungsbehörden andererseits machen auch solche einfach gelagerten Fälle gefährlich, weil die Pflegedienstleitung sich faktisch erklären muss, warum hinter singulären Falschabrechnungen kein System „von oben“ steckt.

Die Kanzlei FS-PP Berlin ist erfahren im Umgang mit Konstellationen solcher, ähnlicher und anderer Art. Ermittlungen können mit der richtigen Verteidigung eingedämmt, Verurteilungen verhindert werden.

Ansprechpartner
Dr. Sebastian T. Vogel