Karlsruhe verhandelt das Verbot der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe und damit ein existenzielles Thema. Mehr als nur eine Strafnorm steht zur Debatte.

Es könnte der Grundtenor auch für jedes Strafverfahren sein, in dem höchstpersönliche Rechtsgüter von Patienten wie Gesundheit, Leben und Selbstbestimmung in Rede stehen: Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. Dr. h. c. Andreas Voßkuhle suchte die Erwartungen gleich an den ersten von zwei Verhandlungstagen zu dämpfen, indem er sagte, es gehe bei dem Verfahren betreffend die Strafnorm der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung einzig um deren Verfassungsmäßigkeit – nicht um eine moralische oder politische Beurteilung des Suizids. Ähnlich schwierig aber, wie es ist, etwa ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren frei von Irrationalitäten und Bauchgefühlen zu halten, wird es auch sein, das bundesverfassungsgerichtliche Verfahren auf die rechtliche Subsumtion zu fokussieren.

Was verhandelt wird

Im Mittelpunkt der auf den 16. und 17. April 2019 terminierten mündlichen Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts (2 BvR 2347/15, 2 BvR 651/16, 2 BvR 1261/16, 2 BvR 1593/16, 2 BvR 2354/16, 2 BvR 2527/16) steht § 217 StGB. Danach macht sich strafbar, wer in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt (§ 217 Abs. 1 StGB). Straffrei bleibt nach dieser Norm der Teilnehmer, der selbst nicht geschäftsmäßig handelt und entweder Angehöriger des in Absatz 1 genannten anderen ist oder diesem nahesteht (Abs. 2). Geschäftsmäßig bedeutet dabei nicht zwingend kommerziell; auf eine Gewinnerzielung oder sonstige monetäre Vorteile im Sinne einer Gewerbsmäßigkeit kommt es nicht an. Geschäftsmäßig im Sinne der Norm handelt vielmehr, wer die Hilfe zur Selbsttötung zu einem dauernden oder wiederkehrenden Bestandteil seiner Tätigkeit macht, unabhängig von einer Gewinnerzielungsabsicht und unabhängig von einem Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen oder beruflichen Tätigkeit. Bisher waren zwei Verfassungsbeschwerden mangels hinreichender Substantiierung bzw. fehlender unmittelbarer und gegenwärtiger Beschwer aus formellen Gründen abgewiesen worden (BVerfG, Beschl. v. 20.7.2017 – 2 BvR 2492/16 und 2 BvR 2507/16). Diese Entscheidung nun wird (zumindest mehr) Klarheit bringen.

Was an der Norm kritikwürdig ist

Kritisiert wird § 217 StGB ganz grundsätzlich, weil er mit einer strafrechtlichen Regel bricht: Eine Teilnahme an einem straflosen, freiverantwortlichen und nicht auf einem Irrtum basierenden Verhalten kann selbst nicht strafbar sein. Ist ein Suizid straflos, kann derjenige, der zu diesem freiverantwortlichen Vorhaben Hilfe leistet, also nicht selbst strafbar sein – eigentlich. Ferner hat das Merkmal der Geschäftsmäßigkeit für Rechtsunsicherheit gesorgt, weil Ärzte, die aus Gewissensgründen mehr als einem Patienten (Suizid-) Hilfe zuteilwerden lassen würden, sogar nur bei dem ersten Angebot die Grenze zur Strafbarkeit überschritten haben könnten. Letztlich und zuvörderst streitet das Selbstbestimmungsrecht in Gestalt eines Rechts auf selbstbestimmtes Sterben der Patienten gegen die Norm, weil professionelle Suizidassistenz nicht mehr zu erreichen sei.

Was unabhängig von der Entscheidung straffrei bleiben wird

Wiewohl vereinzelt das Thema dieses Verfahrens mit dem weiten Begriff der Sterbehilfe überschrieben worden ist, werden die Fragen des Behandlungsabbruchs (sog. passive Sterbehilfe) und der indirekten Sterbehilfe nicht aufgeworfen. Es bleibt dabei, dass es Ärzten mit dem Willen von Patienten (etwa qua Patientenverfügung) erlaubt ist, eine Behandlung nicht aufzunehmen oder eine eingeleitete Behandlung abzubrechen, selbst wenn das bedeutet, einer todbringenden Krankheit ihren Lauf zu lassen. Auch Themen wie das ärztlich begleitete Sterbefasten sollten von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht berührt werden, weil sie bereits jetzt nicht dem Begriff der Suizidbeihilfe zu subsumieren sind.

FS-PP Berlin berät Ärzte und Kliniken in allen Bereichen medizinischer Behandlungen, auch bei Fragen am Lebensende. Weil bei solch existenziellen Konstellationen rechtssicheres Handeln eine gesteigerte Relevanz besitzt, sind insbesondere in Krankenhäusern Prozeduren vorzuhalten, wie im Einzelfall mit Wünschen nach Behandlungsabbruch und Suizidassistenz umgegangen werden soll: kommunikativ, medizinisch, juristisch. Wer hier organisatorisch vorsorgt, vermeidet Rechtsstreitigkeiten hinterher.

Ansprechpartner
Dr. Sebastian T. Vogel