Auf die vom BGH 2018 angekündigte Änderung seiner Rechtsprechung zu § 266a StGB (Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt) hat der Gesetzgeber mit der Einführung eines neuen Bußgeldtatbestands in § 8 Abs. 3 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG) reagiert. Dieser Bußgeldtatbestand wird insbesondere in den juristisch nicht abschließend geklärten Bereichen der abhängigen Beschäftigung nach § 7 Abs. 1 SGB IV von Bedeutung sein.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Der 1. Strafsenat des BGH hat seine Rechtsprechung zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt im letzten Jahr zu Gunsten von Arbeitgebern geändert (angekündigt im obiter Beschl. v. 24. Januar 2018 – 1 StR 331/17 und bestätigt im Beschl. v. 24. September 2019 – 1 StR 346/18). Nach der neuen Rechtsprechung des BGH zu § 266a StGB kann die Fehlvorstellung des Arbeitgebers über seine Arbeitgebereigenschaft und die daraus resultierende Pflicht zur Abführung von Sozialbeiträgen nun einen Tatbestandsirrtum darstellen. Der Täter muss seine (arbeits- und sozialversicherungsrechtliche) Arbeitgebereigenschaft und die sich daraus ergebenden Abführungspflicht zumindest als Parallelwertung in der Laiensphäre nachvollzogen und erkannt haben. Das etwaige (grob) fahrlässige Verkennen der Arbeitgebereigenschaft unterfällt damit nicht mehr § 266a StGB.

Nach alter Rechtsprechung war es hingegen ausreichend, wenn der Täter lediglich die tatsächlichen Umstände kannte, die die Arbeitgebereigenschaft und Abführungspflicht begründeten.

Reaktion des Gesetzgebers

Der Gesetzgeber hat bereits auf die bloße Ankündigung der Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 266a StGB reagiert und im SchwarzArbG einen neuen Bußgeldtatbestand geschaffen. Nach dem am 11. Juli 2019 in Kraft getretenen § 8 Abs. 3 SchwarzArbG soll bereits derjenige belangt werden, der

„als Arbeitgeber eine in § 266a Absatz 2 Nummer 1 oder 2 des Strafgesetzbuches bezeichnete Handlung leichtfertig begeht und dadurch der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung oder vom Arbeitgeber zu tragende Beiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, leichtfertig vorenthält.“

Mit der Einführung des § 8 Abs. 3 SchwarzArbG hat der Gesetzgeber die aus seiner Sicht durch die Rechtsprechungsänderung des BGH entstandene „Lücke in der Sanktionierung“ schließen wollen.

Insbesondere bei Scheinselbstständigkeit von Bedeutung

  • 8 Abs. 3 SchwarzArbG wird gerade im Bereich der Scheinselbstständigkeit (formal selbstständig Tätige, die tatsächlich aber abhängig Beschäftigte i.S.d. § 7 Abs. 1 SGB IV sind) für Auftraggeber von Bedeutung sein. Denn hier verkennen Auftraggeber wegen der oftmals kaum trennscharf vorzunehmenden Abgrenzung zwischen selbstständig und abhängig Beschäftigten regelmäßig, dass sie für tatsächlich als abhängig Beschäftigte einzustufende Auftragnehmer zur Abführung von Sozialbeiträgen verpflichtet sind. Maßgeblich sind dabei alleine die tatsächlichen Gegebenheiten und nicht etwa, ob ein vertraglich vereinbartes Arbeitsverhältnis besteht.

Abgrenzung § 266a von § 8 Abs. 3 SchwarzArbG

Von einer Strafbarkeit nach § 266a StGB wird weiterhin auszugehen sein, wenn

  • die Indizien für eine abhängige Beschäftigung des Auftragnehmers auf der Hand liegen und/oder
  • das Verhalten des Auftraggebers darauf ausgerichtet ist, die abhängige Beschäftigung zu verschleiern.

Als Indizien dafür, ob der Arbeitgeber seine Stellung als Arbeitgeber und die Abführungspflicht erkannt hat, wird beispielsweise herangezogen werden können, wie erfahren die Organe der juristischen Person im Geschäftsverkehr sind oder wie intensiv das Thema der illegalen Beschäftigung in der entsprechenden Branche öffentlich diskutiert wird.

Ist jedoch nach objektiver Betrachtung nicht eindeutig, welchen Status seine Auftragnehmer haben und hat sich der Auftraggeber redlich um eine zulässige Ausgestaltung des Beschäftigungsmodells bemüht, beispielsweise durch Beratung seines Steuerberaters oder Rechtsanwalts, wird ein vorsatzausschließender Tatbestandsirrtum naheliegen. Die Rechtsprechungsänderung des BGH trägt damit dem Umstand Rechnung, dass die Gerichte objektive Auslegungsspielräume bei der Statusfeststellung von Auftragnehmern geschaffen haben, welche die korrekte Einstufung erschweren.

Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 SchwarzArbG

Liegen die Voraussetzungen des § 266a StGB danach also nicht vor, kommt ordnungswidriges Handeln nach § 8 Abs. 3 SchwarzArbG in Betracht. Voraussetzung des § 8 Abs. 3 SchwarzArbG ist, dass der Täter rechtlich zweifelsfrei als Arbeitgeber einzustufen ist. Der Täter muss darüber hinaus eine der in § 266a Abs. 2 Nr. 1 und 2 StGB beschriebenen Handlungen mindestens leichtfertig begangen haben.

Als Maßstab der Leichtfertigkeit dient der der leichtfertigen Steuerverkürzung gemäß § 378 AO. Es wird daher ein besonders hoher Grad der Fahrlässigkeit gefordert. Erfasst ist aber auch die unbewusste Fahrlässigkeit. Die Möglichkeit eines Vorenthaltens und Veruntreuens von Sozialbeiträgen braucht der Arbeitgeber nicht zu erkennen.

Ordnungswidrigkeitenrechtliche Folgen

Verstößt der Arbeitgeber gegen § 8 Abs. 3 SchwarzArbG, so drohen Bußgelder in Höhe von EUR 50.000 pro Tat. § 17 Abs. 4 OwiG folgend, soll die Geldbuße den wirtschaftlichen Vorteil, den der Täter aus der Tat erlangt hat, übersteigen. Übersteigt der vorenthaltene Betrag der Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung oder vom Arbeitgeber zu tragende Beiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung EUR 50.000, so wird das Bußgeld entsprechend erhöht ausfallen. Im Unterschied zur Einziehung kommt hier jedoch das Nettoprinzip zum Einsatz, weshalb von den wirtschaftlichen Zuwächsen die Kosten und sonstigen Aufwendungen im Zusammenhang mit der Tat abzuziehen sind.

Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit einer Bußgeldbefreiung vorgesehen: dafür muss der Arbeitgeber den Einzugsstellen – spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach - schriftlich die Höhe der vorenthaltenen Beiträge mitteilen (§ 8 Abs. 9 Nr. 1 SchwarzArbG), erklären, warum die fristgemäße Zahlung nicht möglich ist, obwohl er sich ernsthaft darum bemüht hat (§ 8 Abs. 9 Nr. 2 SchwarzArbG) und die vorenthaltenen Beiträge müssen innerhalb einer von der Einzugsstelle zu bemessenden Frist gezahlt werden (§ 8 Abs. 9 Nr. 3 SchwarzArbG). Da § 8 Abs. 3 SchwarzArbG allerdings nur dann zum Tragen kommt, wenn der Arbeitgeber fahrlässig seine Stellung als Arbeitgeber verkennt und er entsprechend nicht von einer Pflicht zur Abführung von Sozialbeiträgen ausgeht, dürfte der Bußgeldbefreiung praktisch kaum eine Bedeutung zukommen.

Eintragung ins Gewerbezentralregister möglich

Neben dem Bußgeld droht bei rechtskräftiger Verhängung eines Bußgeldes eine Eintragung im Gewerbezentralregister gem. § 149 Abs. 2 Nr. 3 GewO. Aus dem Gewerbezentralregister können Behörden gem. § 150a GewO Auskunft verlangen. Eine erstmalige Eintragungen hat in der Regel keine Konsequenzen, bei wiederholten Einträgen drohen aber Nachteile bei der öffentlichen Auftragsvergabe bzw. der Erteilung behördlicher Genehmigungen etc..

Zivil- und sozialrechtliche Folgen

Es dürfte sich bei § 8 Abs. 3 SchwarzArbG auch um ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB handeln. Bei Verwirklichung des Bußgeldtatbestands droht dann zusätzlich – ähnlich der fahrlässigen Steuerhinterziehung nach § 378 AO - eine persönliche (zivilrechtliche) Haftung der Organe der juristischen Person, die Beiträge vorenthalten hat.

Im Gegensatz zu einer Verurteilung nach § 266a StGB hat die bloße Verhängung eines Bußgeldes nach § 8 Abs. 3 SchwarzArbG sozialrechtlich dagegen weniger einschneidende Folgen. So hat mangels vorsätzlichen Handelns beispielsweise eine Anwendung nachteilhafter Vorschriften für den Täter wie die Annahme einer Nettolohnvereinbarung (§ 14 Abs. 2 S. 2 SGB IV), Säumniszuschläge (§ 24 SGB IV) und der 30-jährigen Verjährung (§ 25 SGB IV) analog zu unterbleiben.