Eine vom Bundesgerichtshof in Aussicht gestellte Rechtsprechungsänderung bringt neue Verteidigungsmöglichkeiten gegen den Vorwurf des Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen. Deutlich höhere Erfolgsaussichten dürfte in Zukunft die Verteidigung in Fällen haben, in denen die häufig hochkomplexe Unterscheidung zwischen Selbstständigen und Arbeitnehmern keineswegs eindeutig ist und der Beschuldigte nachvollziehbar darauf vertraute, dass alles seine Ordnung habe.

Immer häufiger trifft Unternehmer der Vorwurf, Arbeitskräfte seien Scheinselbstständige und deshalb Sozialversicherungsbeiträge nicht entrichtet worden. Die Bestimmung, ob jemand Selbstständiger oder eben sozialversicherungspflichtiger Arbeitnehmer ist, erweist sich häufig als überaus komplex. Die Meinungen gehen vielfach auseinander, unterschiedliche Berater und Behörden kommen zu den verschiedenen Ergebnissen. Die Problematik betrifft heutzutage nahezu alle Branchen – von Bordellbetrieben bis zu Fluggesellschaften.

Der Verteidigung gegen den Vorwurf des Vorenthaltens und Veruntreuens von Sozialversicherungsbeiträgen (§ 266a StGB) mit dem Argument, der Beschuldigte sei davon überzeugt gewesen, kein Arbeitgeber und von der Selbständigkeit betroffener Arbeitskräfte ausgegangen zu sein, sind sehr enge Grenzen gesetzt.

Im Ergebnis stufte die höchstrichterliche Rechtsprechung das Argument, mangels Annahme eigener Arbeitgebereigenschaft und damit mangels Kenntnis des sozialversicherungsrechtlichen Anspruches, fehle es am Vorsatz, zumeist vielfach als unbeachtlich ein; der Beschuldigte hätte ja, so das Argument, ein sozialversicherungsrechtliches Statusfeststellungungsverfahren (nach § 7 a Abs. 1 SGB IV) durchführen und somit seinen Irrtum vermeiden können.