Das im Steuerrecht geltende Steuergeheimnis schützt den Steuerpflichtigen nicht, wenn der Finanzverwaltung Tatsachen bekannt werden, die auf ein Korruptionsdelikt deuten. In diesen Fällen besteht eine Pflicht zur Anzeige an die Strafverfolgungsbehörden. 

Einkommensteuergesetz (EStG) bestimmt Abzugsverbot für Bestechungsgelder und Anzeigeflicht der Finanzbehörden

Die Regelungen befinden sich im Einkommensteuergesetz (EStG). § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 10 EStG bestimmt zunächst, dass rechtswidrigen Zuwendungen von Vorteilen die steuerliche Abzugsfähigkeit versagt ist. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 10 S. 3 EStG regelt sodann die Verpflichtung der Finanzbeamten, die Ermittlungsbehörden über den Sachverhalt zu unterrichten.

§ 4 (5) EStG: Die folgenden Betriebsausgaben dürfen den Gewinn nicht mindern: 

Nr. 10: die Zuwendung von Vorteilen sowie damit zusammenhängende Aufwendungen, wenn die Zuwendung der Vorteile eine rechtswidrige Handlung darstellt, die den Tatbestand eines Strafgesetzes oder eines Gesetzes verwirklicht, das die Ahndung mit einer Geldbuße zulässt. Gerichte, Staatsanwaltschaften oder Verwaltungsbehörden haben Tatsachen, die sie dienstlich erfahren und die den Verdacht einer Tat im Sinne des Satzes 1 begründen, der Finanzbehörde für Zwecke des Besteuerungsverfahrens und zur Verfolgung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten mitzuteilen. Die Finanzbehörde teilt Tatsachen, die den Verdacht einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit im Sinne des Satzes 1 begründen, der Staatsanwaltschaft oder der Verwaltungsbehörde mit.

Korruptionsbekämpfung über fiskalische Interessen hinaus? 

Über die Reichweite dieser Mitteilungspflicht wird gegenwärtig diskutiert, wobei sich zwei Meinungen gegenüber stehen: Nach Auffassung der Finanzverwaltung besteht eine Mitteilungspflicht nur dort, wo versucht wurde, die rechtswidrige Zuwendung eines Vorteils als Betriebsausgabe steuerlich zu berücksichtigen. Es bestehe also ein innerer Zusammenhang zwischen Gewinnermittlung und Mitteilungspflicht. Demgegenüber ist die Rechtsprechung der Meinung, dass die Mitteilungspflicht unabhängig von der Gewinnermittlungsvorschrift sei. Es gehe also über fiskalische Interessen hinaus um Korruptionsbekämpfung.

Allerdings ist auch die Finanzverwaltung der Auffassung, dass bei Hinweisen auf Straftaten im Amt (Vorteilsnahme, § 331 StGB, Bestechlichkeit, § 333 StGB) eine Verpflichtung zur Offenbarung besteht. Das ergebe sich aus § 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchst. b AO.

Das Steuergeheimnis aus § 30 AO und seine Ausnahmen 

§ 30 AO regelt das Steuergeheimnis und bestimmt, dass die Finanzverwaltung die im Rahmen ihrer Veranlagungs- und Prüfungstätigkeit erlangten Kenntnisse zwar für das Besteuerungsverfahren verwenden, aber im Übrigen Dritten nicht zugänglich machen dürfen. Die Absätze 4 und 5 der Vorschrift regeln Ausnahmetatbestände: 

§ 30 Abs. 4 AO: Die Offenbarung der nach Absatz 2 erlangten Kenntnisse ist zulässig, soweit

1.-3. (...)

4. sie der Durchführung eines Strafverfahrens wegen einer Tat dient, die keine Steuerstraftat ist, und die Kenntnisse 

a) in einem Verfahren wegen einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit erlangt worden sind; dies gilt jedoch nicht für solche Tatsachen, die der Steuerpflichtige in Unkenntnis der Einleitung des Strafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens offenbart hat oder die bereits vor Einleitung des Strafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens im Besteuerungsverfahren bekannt geworden sind, oder 

b) ohne Bestehen einer steuerlichen Verpflichtung oder unter Verzicht auf ein Auskunftsverweigerungsrecht erlangt worden sind, 

5. für sie ein zwingendes öffentliches Interesse besteht; ein zwingendes öffentliches Interesse ist namentlich gegeben, wenn 

a) Verbrechen und vorsätzliche schwere Vergehen gegen Leib und Leben oder gegen den Staat und seine Einrichtungen verfolgt werden oder verfolgt werden sollen, 

b) Wirtschaftsstraftaten verfolgt werden oder verfolgt werden sollen, die nach ihrer Begehungsweise oder wegen des Umfangs des durch sie verursachten Schadens geeignet sind, die wirtschaftliche Ordnung erheblich zu stören oder das Vertrauen der Allgemeinheit auf die Redlichkeit des geschäftlichen Verkehrs oder auf die ordnungsgemäße Arbeit der Behörden und der öffentlichen Einrichtungen erheblich zu erschüttern,

Bedeutung für die strafrechtliche Beratung und Verteidigung 

Aus der Sicht der strafrechtlichen präventiven Beratung ist die Entscheidung akademisch. Die Anzeigepflicht ist für die Finanzbeamten sogar strafbewehrt. Einem Finanzbeamten, der die Augen zugedrückt, droht ein Ermittlungsverfahren wegen Strafvereitelung im Amt, § 258 a StGB. Das bedeutet, dass im Zweifel eine Unterrichtung der Ermittlungsbehörden erfolgen wird. 

Erst in der Strafverteidigung gewinnt die Rechtsfrage von Bedeutung. Hier hat der Verteidiger zu fragen, ob eine möglicherweise nicht geforderte, deshalb vom Steuergeheimnis untersagte Mitteilung an die Strafverfolgungsbehörden einem Verwertungsverbot unterliegen könnte.

 

Weiterführend unter Angabe der Quellen BMF und BFH: Maudaß, NZWiSt 2013, 176 ff
Notiert von Frank 11/2013